Rebecca Harms nach ihrer Ankunft am Flughafen Brüssel.

Thomas Mayer/STANDARD

Das russische Dokument, das Rebecca Harms die Einreise nach Russland verbietet. Ein Verstoß dagegen wäre "ein krimineller Akt".

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Rebecca Harms sieht todmüde aus. Kurz vor 23 Uhr betritt sie am Donnerstag die Ankunftshalle des Flughafens in Brüssel. Vier Stunden zuvor war es in der russischen Hauptstadt zu einem diplomatischen Eklat um die Fraktionschefin der Grünen im Europäischen Parlament gekommen. Die Behörden auf dem Flughafen in Moskau verweigerten ihr die Einreise. Nach einer dreistündigen Befragung wurde sie zur "unerwünschten Person" erklärt und mit Druck in das nächste Flugzeug zur Rückreise in die EU-Hauptstadt gesteckt. "Man hat mir den Pass und die Papiere weggenommen, sie mir erst wieder im Flugzeug zurückgegeben", bestätigt die Abgeordnete in einem Interview mit dem STANDARD.

Das Vorgehen gegen die Politikerin könnte ein neues Kapitel der gespannten Beziehungen zwischen der EU und Russland in Folge der Ukraine-Krise bedeuten, eine Verschärfung der Lage. Harms ist die erste EU-Abgeordnete, gegen die ein solches Vorgehen der russischen Behörde vorliegt. Sie wollte in Moskau als Beobachterin beim Prozess gegen die ukrainische Pilotin Nadeschda Sawtschenko teilnehmen. "Ich habe schon bei der Ankunft sofort bemerkt, dass das schwierig wird", erzählt die Grüne vom Ablauf der Ereignisse, "in meinem Diplomatenpass habe ich viele Einreisestempel in die Ukraine." Zuerst sagte ein Grenzbeamter, es gebe Probleme mit dem Computer. Dann kamen immer mehr Leute. Aber die Verständigung war schwierig, weil sie nicht englisch sprachen", sagt Harms. "Dann hat man eine Akkreditierung als Diplomatin in Russland verlangt. Dabei hatten wir uns zuvor extra bei der russischen Botschaft in Berlin und in Brüssel erkundigt, dass eine Einreise mit meinem Diplomatenpass kein Problem ist.

Beschränkungen gegen EU-Abgeordnete

Die grüne Fraktionschefin geht davon aus, dass die Erklärungen nur Vorwände waren. Sie habe die deutsche Botschaft in Moskau um Hilfe gebeten, und man habe sich um ihren Fall bemüht. Es sei "ein Konsul Anton Grillow gekommen, der war sehr höflich, ich bekam einen Stuhl und Wasser", schildert Harms den Fortgang der Dinge, "man wollte wissen, wer mich eingeladen hat". Zwischendurch habe sie von der deutschen Botschaft erfahren, dass es am Nachmittag bereits eine Mitteilung des russischen Außenministeriums gegeben hatte, wonach es Beschränkungen gegen EU-Abgeordnete gibt, die für Sanktionen gegen Russland eintraten."

Nach drei Stunden sei ein Grenzbeamter gekommen und habe ihr ein Schriftstück ausgehändigt, in dem sie zur unerwünschten Person erklärte wurde, sagte Harms: "Es sei mir verboten einzureisen, täte ich es doch, wäre das ein krimineller Akt". Schließlich habe der Konsul ihr aber doch gesagt, dass die Einreiseverweigerung wegen ihres Eintretens für Sanktionen ausgesprochen wurde.

Sorge über künftige Zusammenarbeit

Die Abgeordnete zeigt sich besorgt darüber, welche Folgen diese neue Entwicklung für die künftige politische Zusammenarbeit auf parlamentarischer Ebene haben wird. Sie ist als EU-Abgeordnete so wie der Österreicher Othmar Karas Mitglied der europäisch-russischen parlamentarischen Delegation, die den wechselseitigen Austausch fördern soll. "Ich würde auch gerne den Kontakt zwischen russischen und ukrainischen Zivilgesellschaften offenhalten", sagt sie. Mit dieser Abweisung in Moskau hatte sie nicht gerechnet. (Thomas Mayer, derStandard.at, 25.9.2014)