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SPD-Chef Sigmar Gabriel und der Grüne Trittin können gut miteinander. Offiziell ist Trittin nur noch "einfacher" Abgeordneter. Sein Buch jedoch darf als Bewerbung für ein Comeback verstanden werden.

Foto: EPA / Wolfgang Kumm

Ein derartiger Presserummel kommt nicht oft vor, wenn ein "einfacher" deutscher Bundestagsabgeordneter sein neues Buch präsentiert. Doch als Jürgen Trittin von den Grünen Anfang der Woche zur Pressekonferenz bittet, da ist der Saal völlig überfüllt. Das liegt auch am Laudator, SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel.

Dem Sigmar gefällt zwar in Jürgens Buch (Stillstand - Made in Germany, Gütersloher Verlagshaus) zwar nicht jedes Detail; aber dennoch lobt er das Werk als "scharfe Analyse" und "Trittin'sches Manifest". Dem Autor bescheinigt er sowieso: "Der kann alles." Trittin schaut zufrieden.

Trittin macht sich Mut

Da sitzen sie, die beiden, die sich seit 25 Jahren kennen und schätzen. Sie wären ein gutes Gespann in einer Koalition - das wissen nicht nur sie selbst. Aber die Chancen dafür stehen ein Jahr nach der Bundestagswahl schlecht. Die Mehrheit der Deutschen, beklagt Trittin in seinem Buch, denke links, wolle also mehr Gerechtigkeit, mehr Klimaschutz und weniger ungezügelten Finanzmarkt. Aber gewählt werde dann doch eher rechts.

Mit seinem Buch will er "Mut machen, dass eine andere Politik möglich ist". Doch von Mut ist bei SPD und Grünen nicht viel zu spüren. Die grüne Führung hat ein Jahr nach der Wahl immer noch ihr Profil nicht gefunden und bleibt blass. Es gibt kein zentrales Thema, in dem sie eine wichtige Botschaft hätte. Ausgerechnet um eines ihrer Kernthemen streitet sie derzeit verbissen.

Kretschmann schert aus

Am Freitag hat der Bundesrat das neue Asylrecht der großen Koalition gebilligt. Bosnien-Herzegovina, Serbien und Mazedonien wurden dabei zu "sicheren Herkunftsländern" erklärt; Flüchtlinge können dorthin künftig schneller abgeschoben werden.

Da Schwarz-Rot in der Länderkammer keine Mehrheit hat, wurde für die Zustimmung ein Land gebraucht, in dem die Grünen (mit-)regieren. Das "Ja" kam schließlich aus Baden-Württemberg und vom grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Dafür würden in Deutschland lebende Asylwerber mit den neuen Gesetzen bessergestellt, sie könnten sich frei in Deutschland bewegen und bekämen Zugang zum Arbeitsmarkt, sagt er.

Doch viele Grüne sind entsetzt, gehört doch die Flüchtlingspolitik zu ihren Herzensthemen. So kritisiert der grüne Innenexperte, Volker Beck: "Heute wurde das Menschenrecht auf Asyl für einen Appel und ein Ei verdealt."

Genossen gefrustet

So tief wie bei den Grünen verlaufen die Gräben bei den Sozialdemokraten nicht. Doch auch dort gärt es. Viele sind frustriert, dass die Partei in Umfragen einfach nicht aus dem Schatten der Union und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) herauskommt.

Bescheidene 25,7 Prozent hatte die SPD vor einem Jahr geschafft, die Union hingegen 41,5 Prozent. Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage schafft die Union zurzeit 42 Prozent, die SPD zwischen 22 und 24 Prozent. Dabei ist die SPD Motor bei wichtigen Gesetzesvorhaben (Pensionsreform, Energiewende), wohingegen die Mautpläne der CSU zur Lachnummer der Republik verkommen sind.

Der Frust der Genossen - auch über die schlechten Wahlergebnisse in Thüringen (je 12,4 Prozent) - schlug sich in den vergangenen Tagen in Kritik am Freihandelsabkommen TTIP nieder, für das Gabriel als Wirtschaftsminister verantwortlich ist. Dass er am Wahlabend die Genossen in Thüringen via TV beschimpfte, kam auch nicht gut an.

Und dennoch: Am gemeinsamen Traum von Rot-Grün hält Gabriel fest. So meinte er bei Trittins Buchvorstellung: "Das interessante Thema für Rot-Grün ist die Chancengleichheit." Dann fügte er noch an: "Wenn Sie so wollen, auch für die Linke." (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, 24.9.2014)