Wien - Ein aktueller Bericht zur sozialen Lage älterer Menschen in Österreich zeigt: Unter den 70- bis 79-Jährigen sind 13 Prozent von Isolation betroffen, bei den über 80-Jährigen sind es 17 Prozent. Die Vereinsamung tritt vor allem nach dem Verlust des Ehepartners oder durch die Einschränkung der eigenen Mobilität auf - besonders betroffen sind deshalb Menschen im ländlichen Bereich.

Fragen, die die Überalterung der Gesellschaft aufwirft, lassen sich mit der fortschreitenden Vernetzung beantworten. Das sieht man derzeit an der FH St. Pölten am Beispiel von "Brelomate" - einem jener Projekte, die am Freitag bei der European Researchers' Night in Wien präsentiert werden. Das von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG geförderte Projekt will mithilfe von modernen Informationstechnologien die Einbindung von sozial isolierten älteren Menschen verbessern.

Brelomate ("Breaking Loneliness with Mobile Interaction and Communication Technology for Elderly") ist ein interdisziplinäres Projekt: Hier arbeiten Wissenschafter der FH St. Pölten vom Ilse-Arlt-Institut für soziale Inklusionsforschung, des Instituts für Creative Media Technologies und des Servicekompetenzzentrums für innovatives Lernen und Lehren mit. Auf der einen Seite wollte man eine technische Lösung erarbeiten, die die Kommunikation der Senioren mit der Außenwelt erleichtert. Jedoch war den Forschern besonders wichtig, die Technik nicht am Reißbrett, ausgehend von reiner Mutmaßung, entstehen zu lassen.

"Die Grundidee war, moderne Internettechnologie so zu gestalten, dass ältere Menschen von Anfang an in den Entwicklungsprozess eingebunden werden", erklärt der Projektleiter Johannes Pflegerl. Die Konzeption fußt deshalb auf konkreten Erfahrungen und Bedürfnissen älterer Menschen, die man in verschiedenen Workshops ermittelte.

Die Forscher berufen sich dabei auf einen Satz des US-Interaktionsdesigners Dan Saffer: "User knows best." Die aktuelle Lösung ist eine digitale Kommunikationstechnologie, die mit dem Fernseher genutzt wird - ein älteren Menschen ohnehin vertrautes Gerät. In Kombination mit einem Tablet können Pensionisten einem beliebten Zeitvertreib unter Senioren sehr einfach virtuell nachgehen: dem Schnapsen.

Einfache Benutzung

Das St. Pöltener Projekt ist laut Pflegerl auch der Versuch, es besser zu machen in einem Feld, in dem bereits einiges passiert: "Spieleanwendungen für ältere Menschen gibt es schon recht viele. Wenn man sich das jedoch genauer ansieht, ist da vieles alles andere als benutzerfreundlich."

Auch sein Team hatte sich zuerst ein anderes Konzept überlegt. In der Hoffnung auf eine schnellere Adaption sollten die Senioren zur Bedienung wie gewohnt richtige Karten benutzen, die via NSC-Technologie mit dem Spielprogramm verbunden waren. Für die Bedienung und Vermittlung war dies aber zu kompliziert. Die Steuerung per Tablet wurde dagegen viel schneller adaptiert, als es die Wissenschafter vorher vermutet hatten.

Viel wichtiger als an die Realität erinnernde Elemente wie echte Spielkarten war den Senioren nämlich der Spielfluss. "Bei den Entwicklungen in diesem Bereich, muss man aufpassen, es nicht zu gut zu meinen. Wenn man es vernünftig erklärt, sind die Menschen auch bereit, sich auf etwas einzulassen", sagt Pflegerl.

Das Schnapsen dient bei der Heranführung in erster Linie als Orientierung - vielmehr geht es den Forschern um die Kommunikation. Daher wird nicht gegen einen seelenlosen Computer gespielt, sondern gegen andere Bekannte, die im Interface auf dem Bildschirm auch zu sehen und zu hören sind und mit denen man entsprechend kommunizieren kann. Daher betonen die Projektmitarbeiter, dass diese Lösung kein Ersatz für die unmittelbare Kommunikation mit älteren Menschen sein soll.

Pflegerl: "Gerade für von Einsamkeit gefährdete ältere Menschen sind Spielenachmittage für Senioren ein Highlight. Dann ist es aber problematisch, wenn diese Personen in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Unser Konzept ist deshalb vor allem eine Ergänzung - etwa für kranke Menschen, die nun zu Hause bleiben müssen und aus ihren sozialen Strukturen herauszufallen drohen."

Das zeigt sich auch daran, wo die Aufnahmebereitschaft der Senioren an ihre Grenzen stößt - wie sich bei der Forschung eher zufällig zeigte: Fiel ein Bekannter als Spielpartner aus und sprangen fremde Personen ein, wurde schon weitaus weniger eifrig und begeistert gespielt. Dass man hier wie im Internet zufällig Spielpartner zugeschaltet bekommt, würde somit vermutlich auf wenig Begeisterung stoßen. Ob am Kartentisch oder am Fernseher: Alte Leute schnapsen eben nicht, um die Zeit totzuschlagen, sondern um mit Freunden über das Weltgeschehen zu ratschen. (Johannes Lau, DER STANDARD, 24.9.2014)