Den Gegnern jeder Art von vermögensbezogener Steuer ist es gelungen, diese Art der staatlichen Geldbeschaffung als eine Erfindung der Sozialdemokratie, mindestens aber als eine "der Linken" darzustellen.

Die Vermögenssteuer im engeren Sinn, also Abgaben auf Grundbesitz, Sachvermögen und Geld (in welcher Form auch immer), ist eine Erfindung der Antike. Die einzige überhaupt, die im Römischen Reich und in den griechischen Stadtstaaten eingehoben wurde. Bis ins 15. Jahrhundert war sie auch in deutschen Landen die dominante Steuerform (jenseits von agrarischen Abgaben und Bereitstellung junger "Soldaten").

Es ist eine bemerkenswerte Verzerrung der Geschichte, die Ursprünge der Demokratie bei Platon festzuzurren, die Vermögenssteuer aber von Traditionen abzukoppeln. Dennoch, das ist passiert - verbunden gleichzeitig mit einem Tanz ums Goldene Kalb, mit der Verehrung von Reichtum und Macht.

Absichtliche Begriffsverwirrung

Der Tanz beginnt mit einer oft absichtlichen Verwirrung der Begriffe. Die ÖVP tut so, als würde eine reine Vermögenssteuer auch die mittelständischen Häuslbauer und Betriebsgründer treffen - für die sie steuerlich im Übrigen nur wenig tut. Tatsächlich setzen "Reichensteuern" - Beispiel Frankreich - bei 800.000 Euro Nettovermögen ein.

Die SPÖ wiederum redet lieber von "vermögensbezogenen Steuern", weil dazu in der Definition der OECD auch Grund- und Immobiliensteuer, Kfz-Steuer, Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer zählen - eine breite Palette also. Einzelstücke daraus gehören auch zum Steuerszenario der ÖVP. Sie spricht nur nicht davon.

Welche Figuren die Steuertänzer trainieren, zeigt die Aussendung einer Wiener Steuerberatungsgesellschaft. Sie dreht die in den Boulevardmedien fast schon religiöse Verehrung des Reichtums ins Gegenteil und spricht von "stigmatisierten" Vermögen, die mehrfach besteuert würden. Das "Faktenpapier" verschweigt, dass ASVG-Pensionisten auf einem Netto-Niveau von 1500 bis 2000 Euro noch einmal bis zu zweimal besteuert werden können.

Eine Milliarde ist nicht "nichts"

Wahrscheinlich stimmt es, dass aus einer moderaten Besteuerung der "obersten Tausend" höchstens eine Milliarde Euro zu lukrieren wäre. Aber eine Milliarde ist nicht "nichts", wie manchmal zu lesen ist. Sie wäre im Gegenteil ein wichtiger Beitrag zu mehr Steuergerechtigkeit.

Erstens: Es gibt keine Studie, die nicht eine wachsende Kluft zwischen Armen und Reichen sogar in Westeuropa feststellen würde.

Zweitens: Ein neues, in der Edition Suhrkamp erschienenes Buch über Steueroasen (Autor: Gabriel Zucman) zeigt nachdrücklich, dass die Zahl jener, die ihr Geld in Oasen bunkern, noch immer nicht zurückgeht. 1000 Milliarden Euro waren es Anfang 2014 allein in Schweizer Banken.

Die EU-Staaten scheitern bei der Bekämpfung der Steuerhinterziehung genauso wie bei der Einführung der Transaktionssteuer.

Auf die Einkommen der kleinen Leute haben sie punktgenauen Zugriff. Bei Vergehen wird nicht lange gefackelt. Reiche Steuerhinterzieher bleiben meist unbehelligt. (GERFRIED SPERL, DER STANDARD, 22.9.2014)