Das mit dem Glück ist eine verzwickte Sache. Tessa Müller, eine 1983 in Mittelfranken geborene Autorin, hat sich in ihrem Erzählband-Debüt "Etwas, das mich glücklich macht", im Untertitel: "Stories", mit diesem schwer fassbaren Ziel allen menschlichen Strebens beschäftigt. Glücklichsein lebt in starker Beziehung zu Kitsch und Pathos, vor beiden sind die elf Kurzgeschichten nicht gefeit. Müller nähert sich dem Thema in kleinen Stories, die, wiewohl leichtfüßig, hintergründig, schwebend und skizzenhaft, seltsam wenigsagend, beinahe überkonstruiert wirken.

Die Geschichten enden oft mit symbolischen Pointen: In "Madonna" entsorgt eine vereinsamende Schülerin ihr Aquarium, als sie bemerkt, dass doch ein Fisch überlebt hat. "Ich konnte gar nicht aufhören, ihn anzusehen." Der tierische Überlebenskünstler steht als Symbol für die Hoffnung im Leben einer verwirrten jungen Frau. Das Glück gefunden! Ob es so einfach ist?

Jede Story hat eine Ich-Erzählerin zur Hauptfigur. In allen geht es um Beziehungen - zu Männern, Eltern oder Gott, weil ja Glück und Liebe nahe Verwandte sind. In "Die Lösung eines Problems" verarbeitet eine junge Frau die Trennung von einem Schauspieler. Sie geht wegen eines vermeintlichen Zeckenbisses zum Arzt, dieser stellt stattdessen "eine rechtskonvexe Lumbalskoliose mit thorakalem Gegenschwung" fest, am Ende hat sie einen Traum, in dem sich wegen ihr der Himmel öffnet und einen Tornado schickt. "Er riss mich mit sich und in sich hinein, er fegte mir die Kleider vom Leib, ich hatte das Gefühl, hochgewirbelt und in Stücke gerissen zu werden. Ich schrie auf vor Lust." Als sie gleich darauf erwacht, ist sie es, "die mit dem Wolf tanzt". Aha. Die Suche nach dem Glück kann ein interessanter Prozess sein. Müllers Figuren suchen nicht wirklich, sie warten und hören auf Zeichen.

Heimliche Performances

Es gibt Stories mit guten Ansätzen, in "Der Einbrecher" entwickelt eine allein lebende Frau Sehnsucht nach einem Einbrecher. In "Wirklichkeit und Liebe" will eine junge Museumswärterin selbst Künstlerin sein und studiert während der Arbeitszeit heimlich Performances ein, die sie fast den Job kosten.

Tessa Müller hat an der Universität Hildesheim Kulturjournalismus und Kreatives Schreiben studiert. Das merkt man beim Lesen: Niedliche Sätze, kreuzbrav, dazu ein paar gewagte Bilder ("breiige Hitze") und Vergleiche ("Ich ging wie auf Wolken"). Ihre Figuren sind bürgerlich-konservativ, privat versichert, nach einer Ordnung sehnend, die das Glück versprechen soll. Fast alle lehnen Gott ab und hoffen auf Wunder. "Was ist mit der Wut auf die Welt?" will ein Therapeut wissen. Die Antwort: "Ich sehe jetzt vor allem das, was schön ist." Eh in Ordnung, aber irgendwie nicht ganz zufriedenstellend. (Sebastian Gilli, DER STANDARD/ALBUM, 20.9.2014)