Wien – Leben ist Wettbewerb, vom Berufsleben wollen wir ja gar nicht reden. Survival of the fittest! Auch im Fernsehen wird das Prinzip der Auswahl zur Zeit auf allen Kanälen lustvoll öffentlich zelebriert. Werde zum Star, heißt es für einige Wenige, eine kurze Sternschnuppenzeit lang; werde zum allmächtigen Juror, der den Star macht, heißt es verheißungsvoll für die bodennahen Würmchen der breiten Masse.

In der klassischen Musik gehören Wettbewerbe fast schon zur (gefürchteten) Tradition. Den Reine Elisabeth Wettbewerb in Brüssel gibt es seit 1937, den Tschaikowski-Wettbewerb in Moskau seit 1958. Klassische Musik, in Spitzenqualität dargeboten, ist technischer Hochleistungssport, der aber immer im Dienst einer präzisen, variablen und intensiven Vermittlung von Emotion stehen soll. Wenn all das da ist, jubelt der Kunde, pardon: Musikliebhaber/Konzertbesucher. Doch dass der Sieg eines der großen Wettbewerbe nicht automatisch eine lebenslange internationale Karriere zur Folge hat, zeigen die vielen Preisträger, die nach ihrem Erfolg den renommierten Konzertpodien relativ schnell wieder abhanden kommen.

Am Donnerstagabend fand im Großen Saal des Wiener Konzerthauses das Galafinale des VIII. Internationalen Fritz Kreisler Wettbewerbs für Violine statt. Von 230 Anmeldungen aus aller Welt waren 56 junge Geigerinnen und Geiger nach Wien geladen worden, drei davon hatten sich in den letzten zehn Tagen durch die Vorauswahl, das Semifinale und das erste Finale ins Galafinale gespielt. Zusammen mit dem RSO Wien unter der Leitung von Johannes Wildner spielte Jan Mrácek das Brahms-Konzert, Emmanuel Tjeknavorian das Beethoven-Konzert und William Hagen jenes von Tschaikowski.

Berührende Spitzenleistung

Die zwölfköpfige, international besetzte Jury war nicht darum zu beneiden, dass sie hier eine Entscheidung zu treffen hatte, wer denn (noch) besser, überzeugender, gewinnender gespielt hatte als der andere: Weltklasse waren alle. Der Tscheche Mrácek, 23 Jahre alt und Schüler von Jan Pospichal an der Musikuni Wien, musizierte am freisten, der 19-jährige Tjeknavorian, Schüler von Gerhard Schulz am selben Institut, präsentierte jeden Ton wie eine Preziose. Der 22-jährige Hagen aus Salt Lake City, Schüler von Robert Lipsett in Los Angeles, bot feinnervige Virtuosität.

Den 1. Preis – 15.000 Euro sowie ein Soloauftritt bei einem Konzert der Wiener Philharmoniker –gewann Jan Mrácek. William Hagen gewann den 2. Preis (12.000 Euro) und Emmanuel Tjeknavorian, der als erster Österreicher in der 35-jährigen Geschichte des Bewerbs das Galafinale erreicht hatte, durfte sich über 10.000 Euro für den dritten Preis freuen.

Zusammen mit Prof. Michael Frischenschlager, dem langjährigen Organisator des Wettbewerbs und Präsidenten der Fritz Kreisler Gesellschaft, bleibt nur, den drei Finalisten zu gratulieren sowie Dank und Hochachtung für solche berührenden Spitzenleistungen auszusprechen. Sowie gegenüber der Jury eine leise Freude auszudrücken, dass gerade der entspannteste, menschlichste der drei Virtuosen als Sieger aus dem knallharten Selektionsprozess hervorging. (Stefan Ender, derStandard.at, 19.09.2014)