Ertan (Murathan Muslu) in "Risse im Beton".

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Wien - Patsch, patsch, patsch. Die Watschen, die Ertan (Murathan Muslu) gleich in der ersten Szene von Risse im Beton empfängt, wollen gar nicht mehr aufhören. Ein sinnfälliger Beginn für einen Film, in dem der (Anti-)Held mit Kräften zu kämpfen hat, die sich ihm bei jeder Gelegenheit entgegenstellen. Nach zehn Jahren im Gefängnis will der junge Mann österreichisch-türkischer Herkunft ein ziviles Leben führen. Doch das kriminelle Milieu ist engmaschig, es lässt einen nicht los.

"Risse im Beton", der zweite Spielfilm von Umut Dag, hebt sich von seinem Debüt, dem innerfamiliären Melodram "Kuma" (2012), schon dadurch ab, dass er eine vertraute Genre-Geschichte erzählt. Wie in einem B-Movie folgen wir anfangs einem ehemaligen Delinquenten, der wenig preisgibt. Erst langsam kommen die Umstände von Ertans Vergangenheit als Dealer ans Licht, die seine verschlossen-angespannte Art besser verständlich werden lassen.

Dag hat mit "Risse im Beton" ein Sozialdrama inszeniert, das nahe am Kleingangstertum ausgetragen wird. Es gibt noch eine weitere Handlungsebene, die sich zur ersten beinahe wie eine Rückblende verhält. Der jugendliche Mikail (Alechan Tagaev), der Held dieses Erzählstrangs, steckt auch bereits mit einem halben Fuß in der Kriminalität. Er wirkt deshalb wie eine jüngere Ausgabe von Ertan. Mikails Traum ist es, Rap-Musiker zu sein. Im Jugendzentrum arbeitet er an einem Demo-Band. Dort begegnet er schließlich auch Ertan das erste Mal.

Wie aus dem Lehrbuch

Die Frage, wie man sich gegen das soziale Umfeld stellt und seine eigenmächtig gewählte Identität festigt, wird in "Risse im Beton" anhand der beiden Figuren entschieden; anhand der Schritte, die sie aufeinander zu machen. Die Konstruktion dieser Annäherung bleibt im Ansatz ziemlich pädagogisch; die Konflikte fächert das Drehbuch dagegen zu sehr nach dem Lehrbuch eines (Klein-)-Gangsterdramas auf.

Geld bringen nur Drogen ein, die Figuren bleiben auch deshalb Getriebene. Dag vertraut auf eine Dramatik, die Einkehr und Läuterung nur über extreme Entwicklungen möglich macht. Nuancen werden damit zunehmend erstickt. Schade, denn die Darstellung dieses (post-)migrantischen Alltags - im österreichischen Kino immer noch selten - erscheint durchaus stimmig. Die wuchtige, ordinäre Sprache, die Macker-Gestik, die ausgewaschenen Farben fügen sich zu einem glaubwürdigen Wien-Bild zusammen: freudlos, trüb, manchmal zackig, hart.

Auch die rhythmische Montage und die wendige Kamera erzeugen einen Sog, dem man sich gerne überlassen würde. Doch Dag erzählt sein Drama zu schablonenhaft zu Ende. Die großen Gesten bleiben Behauptungen. Mit weniger Leidensdruck hätte der Film mehr vom Ungestüm des Beginns. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 20.9.2014)