Warschau - Nach dem Wechsel an der polnischen Regierungsspitze muss der bisherige Außenminister Radoslaw Sikorski seinen Posten räumen. Die zu Wochenbeginn zur neuen Ministerpräsidentin ernannte frühere Parlamentspräsidentin Ewa Kopacz stellte am Freitag in der Hauptstadt Warschau ihr neues Kabinett vor. Außenminister wird der Parlamentarier Grzegorz Schetyna, Sikorski wechselt an die Sejm-Spitze.

Der 51-jährige Sikorski war sieben Jahre lang polnischer Außenminister. Der Regierungswechsel in Warschau wurde wegen der Bestimmung des bisherigen Regierungschefs Donald Tusk zum neuen Präsidenten des Europäischen Rats nötig.

"Wir müssen das Vertrauen der Polen und Polinnen (in die Regierung) wiederherstellen", betonte Kopacz mit Blick auf die sinkenden Beliebtheitswerte ihrer seit sieben Jahren regierenden Bürgerplattform (PO). "Wir sollten strenger mit uns sein als die anderen."

Neuer Außenminister Rivale Tusks

Schetyna, bisheriger Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses im Sejm, gilt als stärkster Rivale Tusks in der Regierungspartei. Beobachter vermuten, dass die neue Regierungschefin den 51-jährigen Schetyna in ihr Kabinett einbindet, um parteiinterner Kritik von seiner Seite aus dem Sejm heraus vorzubeugen.

Schetyna gilt als politisches Schwergewicht. Der frühere Aktivist der unabhängigen Gewerkschaft Solidarnosc war bereits Parlamentspräsident, Vizepremier und Innenminister. Die Opposition sieht ihn aber nicht als Idealbesetzung für den Posten des Chefdiplomaten. "Die Außenpolitik ist nicht gerade sein Spezialgebiet", sagte der Links-Abgeordnete Tadeusz Iwinski. "Er fühlt sich in der Innenpolitik wohler."

Mit Spannung wird erwartet, ob der neue Ressortchef eine Kurskorrektur in der polnischen Außenpolitik vornehmen wird. Sikorski hatte in der Ukraine-Krise nämlich eine betont russland-kritische Haltung eingenommen. Das Ansehen Sikorskis litt auch durch das Bekanntwerden von Tonbandaufzeichnungen, in denen er sich abfällig über die USA äußerte.

Kurskorrektur in Ukraine-Politik erwartet

Beobachter erwarten, dass die neue polnische Regierung eine zurückhaltendere Ukraine-Politik führen will. Kopacz sagte am Freitag, dass sich Polen "wie eine vernünftige Frau verhalten" solle, der vor allem "die Sicherheit ihres Hauses und ihrer Kinder" ein Anliegen sei. Mit diesen Worten schloss sie Waffenlieferungen an Kiew aus. Im neuen Kabinett wurden mehrere Schlüsselressorts neu besetzt. Unter anderem muss Innenminister Bartlomiej Sienkiewicz seinen Hut nehmen. Eine neue Führung bekommen auch die Ressorts für Justiz, Infrastruktur und Entwicklung sowie Verwaltung.

Das neue Kabinett, dem sechs Frauen angehören, soll am Montag vereidigt werden und muss noch eine Vertrauensabstimmung im Parlament bestehen. Die Regierungserklärung der neuen Ministerpräsidentin ist für 1. Oktober geplant. Spätestens im Herbst kommenden Jahres müssen Parlamentswahlen stattfinden. Bereits Mitte November muss sich Regierungspartei, die in den Umfragen hinter die rechtskonservative Oppositionspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) zurückgefallen ist, bei Lokalwahlen bewähren.

Die 57-jährige frühere Gesundheitsministerin Kopacz war bisher Stellvertreterin des PO-Chefs Tusk. Die Bürgerplattform und die mitregierende Bauernpartei (PSL) stellten sich zuletzt geschlossen hinter sie, auch im Parlament kann sie auf Rückhalt zählen. (APA, 19.9.2014)