Während unserer Schulzeit hat man uns gepredigt, dass jemand nur durch gute Leistungen Jobs finden könne. Jemand, der auf der Hängematte liege, würde es jedoch schwer haben. Jahre später stelle ich fest, dass der Wille und die Leistung alleine nicht ausreichen, um einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu bekommen.

Meine Altersgenossen und ich leiden. Wir leiden unter prekären Situationen, unter Versagens- und Zukunftsängsten, unter befristeten Arbeitsverträgen ohne Perspektiven, Schlafstörungen und sozialer Isolation. Um es besser als unsere Eltern zu haben, wurden wir zu einer guten Bildung motiviert, um uns gegen Ungerechtigkeiten auf der Straße und im Erwerbsleben wehren zu können. Wir vertrauten darauf, dass der Staat uns nicht hängen lässt, weil Österreich zu den reichsten Ländern der Welt gehört.

Bist du unten, bleibst du unten

Internationale Statistiken sprechen eine andere Sprache. Sowohl der neueste Bericht der OECD "Education at a Glance" ("Bildung auf einen Blick"), als auch vergleichbare Studien attestieren Österreich eine extrem ausgeprägte soziale Ungerechtigkeit und Chancenungleichheit. In fast keinem anderen Land ist der soziale Aufstieg so schwierig wie hier. Nach wie vor beeinflusst die soziale Herkunft unsere Karriere erheblich. Das bedeutet folgendes: Wenn ein Kind aus der Unterschicht den Traum hat Journalist, Wissenschaftler, Manager, Arzt oder Richter zu werden, dann ist das mit einem finanziellen Aufwand verbunden, den sich die Eltern nicht leisten können. Ein Beispiel: Die Tageszeitung "Presse" bietet eine sogenannte "Lehrredaktion" für Nachwuchsjournalisten an, wo man 717 Euro im Monat verdienen kann. Gleichzeitig soll man für diesen Kurs 3000 Euro zahlen.

Diese Berufszweige sind für Privilegierte vorbehalten. So gilt für Arbeiterkinder sehr oft die Tatsache: Bist du unten, bleibst du unten! Tut die Politik etwas dagegen? Nein. Seit Jahren versprechen sie uns etwas gegen diesen Missstand zu unternehmen. Aber statt massiv in die Bildung zu investieren und Schikanen abzubauen, Talente zu fördern und Chancengleichheit zu gewähren, werden Banken gerettet, Steuern verschwendet und über die Söhne und Töchter in der Bundeshymne gestritten.

Obwohl wir hoch qualifiziert sind, wie keine Generation zuvor, ist die Jugendarbeitslosigkeit in Europa so hoch wie noch nie. Wir müssen uns durch einen befristeten Vertrag nach dem anderen kämpfen. Uns wird vorgegaukelt, dass Geld für Schulen und Unis fehlen, für die Hypo Alpe Adria hingegen 19 Milliarden Euro zur Verfügung stehen.

Obwohl kein Tag ohne die Ermahnung der Wirtschaft vergeht, dass Fachkräfte fehlen, steigt die Arbeitslosigkeit in Österreich weiter an. Liegt das wirklich an der mangelnden Qualifikation meiner Altersgenossen, oder einfach an den realitätsfremden Anforderungen der Stellenanzeigen? Es ist nicht selten, dass ein Unternehmen von einem Bewerber mindestens zwei Jahre Berufserfahrung erwartet. Wie soll das als Student möglich sein, wenn man einen straffen Vorlesungs- und Seminarplan hat? Wie soll das gehen, wenn man lediglich ein Jahrespraktikum und eben nicht einen unbefristeten Arbeitsvertrag bekommt?

Ein würdevolles Leben

Wir sind nicht mehr bereit, gering- oder unbezahlte Praktika zu absolvieren. Wir haben was dagegen, ständig die Neue oder der Neue in einem Betrieb zu sein und zu allem Ja und Amen zu sagen, um bloß nicht negativ aufzufallen. Wir wollen nicht mehr in einer prekären Situation leben und jede Nacht mit einer ungewissen Zukunft ins Bett gehen. Wir möchten nicht unsere Hoffnung auf ein sicheres Leben verlieren. Uns geht es auch nicht um das ganz große Geld, um Reichtum, Glanz und Glamour. Wir wollen eine unbefristete Arbeit, von der man leben kann. Perspektiven, die uns Selbstbewusstsein geben. Eine Familie gründen, ohne Geldsorgen zu haben. Unsere Kinder in einer Welt erziehen, in der Solidarität und Vertrauen mehr wiegt als Profit und Egoismus. Wir wollen eine Pension haben, die uns nach dem Erwerbsleben nicht in die Armut führt, sondern in ein würdevolles Leben.

Wegen wilden Spekulanten, gewissenlosen Lobbyisten, unfähigen Politikern und einer Jugend, die sich nicht mehr traut ihre Stimme zu erheben, sind die oben genannten Wünsche zu einer Utopie geworden. Wir, die Jugend, beschweren uns über Ungerechtigkeiten, nehmen sie aber widerstandslos hin. Und jeder, der die Welt verändern möchte, wird zu einem naiven Gutmenschen erklärt. Eine Gesellschaft, in der der Begriff "Weltverbesserer" zu einem Schimpfwort verkommt, ist eine Gesellschaft, die sich ins eigene Fleisch schneidet. Unsere Jugend kann sich hervorragend eine Meinung zu Politik und Wirtschaft bilden, sehen sich aber in ihrer Wirkung machtlos. Das ist falsch! Jugend, artikuliert euch, damit ihr von Politikern wahrgenommen werdet. Nehmt Ungerechtigkeiten und Missstände nicht einfach so hin. Jugend, empört euch! (Onur Kas, derStandard.at 22.9.2014)