Bild nicht mehr verfügbar.

Nächstes Jahr findet die Cricket-Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland statt. John Key wird auch nach der Wahl am Samstag wohl neuseeländischer Premierminister bleiben - und damit Gastgeber.

Foto: REUTERS/Anthony Phelps

Wellington/Canberra - John Key ist drauf und dran, am Samstag von den Wählern für eine dritte Amtszeit als Premier von Neuseeland beauftragt zu werden. Seine Nationalpartei hat in Umfragen einen klaren Vorsprung gegenüber der oppositionellen Labourpartei unter deren Chef David Cunliffe.

Auch der spektakuläre Seitenangriff des deutschen Internetunternehmers Kim Dotcom, der von seinem Millionenanwesen im Norden von Auckland gegen seine Auslieferung in die USA kämpft, dürfte Key wenig antun. Dotcom, der Hacker, war 2012 auf Bitten der US-Justiz festgenommen worden. Der von ihm vehement bestrittene Vorwurf: Er habe mit dem Austausch von urheberrechtlich geschützten Daten zwischen Internetusern kräftig verdient. Seine Firma Megaupload wurde geschlossen, Dotcoms Vermögen eingefroren.

Beliebt trotz zahlreicher Skandale

Ein Jahr später gründete der Deutsche den Nachfolgerdienst Mega und wehrt sich weiter gegen eine Auslieferung - jüngst auch mit politischen Mitteln. Er gründete die Internet-Partei, versprach kostenlose Ausbildung, billiges Internet und straffreies Marihuana. Dotcom wirft Key vor, es zugelassen zu haben, dass ihn der neuseeländische Geheimdienst ausspioniert. Key entschuldigte sich, doch das Thema Spionage und die vermeintliche Zusammenarbeit mit den US-Geheimdiensten gehen seither nicht mehr aus den Schlagzeilen.

Doch Key (53) wischt solche Sachen mit einer Handbewegung vom Tisch. Nicht ohne Grund nennt man ihn "Teflon-John". Alle Probleme scheinen an ihm abzuperlen. Vor allem Skandale, und derer gab es in den sechs Jahren seit Amtsantritt mehrere. So wurde Key jüngst vorgeworfen, er habe dem zumeist aggressiv auftretenden konservativen Blogger Cameron Slater privilegierte Informationen zuspielen lassen - als Munition gegen politische Gegner.

Key wuchs als Kind einer alleinerziehenden Mutter in bescheidenen Verhältnissen auf. Ruth, eine vor den Nazis aus Österreich geflohene Jüdin, verdiente sich den Unterhalt als Putzfrau. Zu John habe sie einmal gesagt: "Ich erwarte von dir, dass du dich in der Welt hocharbeitest." Er habe an diesem Tag beschlossen, Premierminister zu werden, erzählt Key.

Der "lächelnde Attentäter"

Und tatsächlich: Bereits mit 40 besaß er ein stattliches Millionenvermögen. Bei Merrill Lynch in London nannte man ihn den "lächelnden Attentäter", der nie seine Fröhlichkeit verlor - auch als er nach der Russlandkrise 1998 dutzende Angestellte feuerte.

Das Rezept für Keys Erfolg, auch als Politiker, liegt in starker Disziplin und harter Wirtschaftspolitik. Nach Jahren der Stagnation stehe das Land am Ende der Welt vor einem Boom, meinen Analysten. Devisenhändler spekulieren, ob der "Kiwi-Dollar" bald Parität mit der australischen Währung erreichen werde. Der "Brain-Drain" Richtung Australien, wo bis vor kurzem bessere Gehälter und berufliche Möglichkeiten lockten, geht langsam zurück. Wie Key selbst haben viele "Kiwis" wieder Vertrauen in eine Zukunft in der eigenen Heimat.

Kritiker äußern sich immer wieder erstaunt, dass Key trotz vieler Maßnahmen beliebt ist, die alles andere als populär waren. Er privatisierte drei staatliche Elektrizitätswerke, eine Kohlemine und Air New Zealand. Der Erfolg gibt ihm recht: Die einstige staatliche Airline fliegt - in krassem Gegensatz zum australischen Konkurrenten Qantas - hervorragende Gewinne ein und belohnt Anleger mit substanziellen Dividenden.

Selbst der Bruch eines Wahlversprechens konnte Key langfristig nichts antun: Trotz Protesten erhöhte er schon in der ersten Amtszeit die Konsumsteuer von 12,5 auf 15 Prozent. Einer der Gründe, so Experten, weshalb das Budget heuer wohl endlich wieder in die schwarzen Zahlen kommen wird.

Druck auf sozial Schwache

Kritiker klagen aber, gewisse Maßnahmen zur Reduzierung der Sozialhilfeausgaben - verbunden mit dem Druck auf sozial Schwache, mehr Selbstverantwortung zu übernehmen - hätten zu einem verstärkten sozialen Ungleichgewicht geführt. Besonders die ohnehin benachteiligten indigenen Maori sind betroffen.

Doch ganz ohne die Hand des Schicksals kann Keys Erfolg nicht erklärt werden. Die Zerstörung der Innenstadt von Christchurch 2011 war nicht nur eine horrende Tragödie, die 185 Menschenleben kostete: Sie löste auch einen einzigartigen Bauboom aus. Milliardenbeträge wurden in den Wiederaufbau investiert, tausende Arbeitsplätze geschaffen.

Und schließlich wäre Neuseelands Aufschwung nicht möglich, wenn die Nation nicht fast in einem Exportprodukt schwimmen würde: Ein Drittel aller Exporte sind Milchprodukte. Viele Farmer sind in den vergangenen Jahren zu Millionären geworden - ganz im Sinne von John Key. (Urs Wälterlin, DER STANDARD, 19.9.2014)