Reinhold Lopatka über die Ochsentour im Wahlkampf: "Wie das Wort schon sagt, da sind Frauen nicht dabei."

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STANDARD: Nach der Regierungsumbildung schwärmten alle von der neuen Bewegung. Mittlerweile hat man den Eindruck, dass die alten Konflikte stehen geblieben sind - Stichwort Vermögenssteuer. War die Vorfreude über die Beweglichkeit verfrüht?

Lopatka: Das Klima in der Regierung ist tatsächlich anders, als es vorher war, es ist jetzt entspannter. Wir bereiten gerade die Regierungsklausur vor, da bin ich in der Koordinierung eingebunden. So wie wir diesmal verhandelt haben, das habe ich schon lange nicht mehr miterlebt. Ich bin hier begründet zuversichtlich.

STANDARD: Lag es dann wirklich an der Person Michael Spindelegger?

Lopatka: Es gehören in einer Beziehung immer zwei dazu.

STANDARD: Einer ist ausgetauscht worden, der andere ist noch da.

Lopatka: Aber es gibt auch etwas, was mit Chemie umschrieben wird. Reinhold Mitterlehner ist es gelungen, innerhalb der ÖVP sofort seine Führungsaufgabe so wahrzunehmen, als ob er das schon immer gemacht hätte.

STANDARD: Sie haben sehr stark den Kurs von Spindelegger mitgetragen, vor allem, was den Sparkurs betrifft. Wird das jetzt lockerer gesehen?

Lopatka: Das hoffe ich nicht.

STANDARD: Die SPÖ macht Druck für eine Vermögenssteuer. Wie soll die Steuerreform denn sonst gegenfinanziert werden?

Lopatka: Da orientierte ich mich nicht an der SPÖ, sondern am IWF, an der OECD, an der EU-Kommission. Was wir uns ausgabenseitig leisten, können wir uns in Wirklichkeit schon lange nicht mehr leisten. Wir müssen es jetzt mit der SPÖ schaffen, ausgabenseitig zu sparen. Das geht nicht über Nacht, aber in den nächsten vier Jahren. Wir kennen die großen Kostentreiber: Das sind die Pensionen. Wir müssen den Mut haben, in den nächsten vier Jahren bei den Pensionen etwas zu machen. Wenn wir das nicht tun, werden wir unsere Budgetziele nicht erreichen.

STANDARD: Die Steuerreform soll 2015 in Kraft treten. Was gäbe es für Maßnahmen, die schneller wirksam sind?

Lopatka: Wolfgang Schüssel war der Letzte, bei dem die Staatsquote zurückgegangen ist. Aber wir hatten auch kurzzeitig einen Anstieg des Defizits, damals, als wir die Steuerreform gemacht haben. Wenn eine Steuerreform der Wunsch der Regierung ist, dann muss man kurzfristig für ein oder zwei Budgets ein höheres Defizit in Kauf nehmen. Man muss aber die gesamte Legislaturperiode sehen. Es kann nicht darum gehen, neue Steuern zu erfinden. Der entscheidende Punkt ist die Ausgabenseite. Wir müssen uns auch den Föderalismus ansehen, den manche als Förderalismus missverstehen.

STANDARD: Da tut sich aber gerade die ÖVP mit ihren starken Landeschefs nicht leicht.

Lopatka: Stimmt. Aber umso mehr könnten wir Reformkraft beweisen, wenn wir mit Unterstützung der Landeschefs im Zuge der Neuverhandlung des Finanzausgleichs hier etwas schaffen, das wäre ein großer Wurf. Das kann nie eine Einbahn sein. Aber auch die Länder müssen bereit sein, Richtung Bund etwas zu machen.

STANDARD: Der Kanzler plädiert nach wie vor für Vermögenssteuern, also für eine Schenkungs- und Erbschaftssteuer und eine Reichensteuer.

Lopatka: Alles nicht kreativ. Von Schelling erwarte ich mir hier mehr.

STANDARD: Schelling ist nicht der Kanzler.

Lopatka: Ich gehe davon aus, dass Schelling die Kraft haben wird, auch den Kanzler zu überzeugen.

STANDARD: Die Industriellenvereinigung hat einen Sparvorschlag ventiliert, nämlich die Kürzung der Parteienförderung, die in Österreich zu den höchsten im internationalen Vergleich zählt. Eine Möglichkeit?

Lopatka: Ich möchte nichts ausschließen. Wenn man bei der Presseförderung und anderen Förderungen kürzt, werde ich die Parteienförderung nicht ausnehmen können. So schmerzhaft das ist. Darüber wird man diskutieren müssen, auch wenn es von der Größenordnung her nicht entscheidend ist. Entscheidend ist der Pensionsbereich, da sind dreistellige Millionenbeträge möglich. Man muss sich auch die Mindestsicherung anschauen. Mehr als die Hälfte derer, die Mindestsicherung beziehen, sind in Wien beheimatet.

STANDARD: Wie wollen Sie hier gegensteuern?

Lopatka: Man kann darüber nachdenken, ob diese Gruppe nicht auch einen Beitrag für das Gemeinwohl leisten muss. Das kann man an gewisse Geldleistungen koppeln.

STANDARD: Was meinen Sie damit? Ein Arbeitsdienst für Leute, die Mindestsicherung beziehen?

Lopatka: Ein Zwangsarbeitsdienst ist nicht möglich, das geht rechtlich nicht. Aber wenn man gewisse Geldleistungen mit Arbeitsleistungen koppelt, werden viele bereit sein, freiwillig etwas für die Gesellschaft zu leisten.

STANDARD: In der SPÖ wird derzeit heftig über die Frauenquote diskutiert. Im ÖVP-Klub ist die Quote noch schlechter als beim Koalitionspartner. Von 47 Abgeordneten sind nur 13 weiblich, das sind magere 28 Prozent. Was halten Sie von einer verpflichtenden Frauenquote?

Lopatka: Ich halte es für klug, darüber nachzudenken, wie man zu einem System kommt, dass mehr Frauen ein Mandat erreichen können. Da muss man auch über das Wahlsystem nachdenken. Wir müssen den Druck erhöhen, damit wir zu mehr Mandatarinnen kommen.

STANDARD: Mit Zwang?

Lopatka: Mit massivem Druck. Man muss aber klar sagen, was das Entscheidende ist: Was der Wähler will, oder was die Partei will? Da bin ich für die Hoheit des Wählers. Bei uns im ÖVP-Klub haben die meisten Vorzugsstimmen in den Wahlkreisen Frauen erreicht.

STANDARD: Woran liegt es denn, dass es zu wenig Frauen gibt? An den Frauen selbst, oder sind es die starken Männerseilschaften?

Lopatka: Es sind die gesellschaftlichen Strukturen. Die Männerseilschaften sind ein Teil der Wahrheit. 90 Prozent der Mandatare, vor allem auf Wahlkreisebene, haben eine Ochsentour hinter sich. Und wie das Wort Ochsentour schon sagt: Da sind die Frauen nicht dabei. Auch wenn das Gegenteil behauptet wird: Bei den Frauen gibt es bei der Familiengründung einen Einschnitt. Je mehr es gelingt, Maßnahmen zu setzen, dass Frauen in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld die gleichen Chancen haben, umso normaler und einfacher wird das. Was die Rolle der Frauen in der Gesellschaft betrifft, sind Parteien nicht Trendsetter, sondern einen Schritt hinterher. Und die katholische Kirche zwei Schritte. (Michael Völker, DER STANDARD, 19.9.2014)