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Betteln in Salzburg: Die Polizei präsentierte am Donnerstag einen Zwischenbericht der Ermittlungsgruppe Bettelei.

Foto: APA/BARBARA GINDL

Salzburg - Nach Wochen der Ruhe kommt die Debatte um die Bettler in der Stadt Salzburg wieder in Fahrt. Während in der Vergangenheit immer eine Forderung einer politischen Partei oder einer Menschenrechtsorganisation am Beginn eines Debattenzyklus stand, so ist es diesmal die Exekutive.

Polizeipräsident Franz Ruf präsentierte am Donnerstag ein Zwischenergebnis seiner acht Mann starken Ermittlungsgruppe Bettelei. Insgesamt würden seit einigen Monaten sechs Fälle untersucht, in zwei Fällen gibt es Ergebnisse.

Körperliche Missbildungen vorgetäuscht

Die erste Causa betrifft elf rumänische Staatsbürger. Ihnen wird gewerbsmäßiger Betrug vorgeworfen. Sechs von ihnen hätten unter Vortäuschung "auf körperliche Missbildungen zurückzuführende Bewegungseinschränkungen" auf Straßen und Plätzen der Landeshauptstadt gewerbsmäßig gebettelt. Im Klartext: Die Männer waren mit Krücken und nach innen gedrehten Füßen unterwegs, obwohl sie körperlich fit sind. Die anderen Beteiligten hätten für die Logistik der Gruppe gesorgt.

Die so erbettelte Summe schätzt die Polizei auf zumindest 2000 Euro pro Person und Monat. Nach Auffliegen der Sache habe sich die Gruppe nach Italien abgesetzt.

Vier Landsleute nach Salzburg gelockt

Menschenhandel lautet der Vorwurf im zweiten Fall. Ein 52-jähriger Slowake habe vier mittellose Landsleute mit falschen Versprechungen nach Salzburg gelockt und unter Androhung von Gewalt zum Betteln gezwungen. Die Reisedokumente seien den Opfern abgenommen worden. Der Mann ist in seiner Heimat im Zusammenhang mit Menschenhandel im Bettlermilieu einschlägig bekannt. In 14 Monaten sollen 63.000 Euro zusammengekommen sein, die der Verdächtige großteils verspielt habe.

Während zwei der vier Opfer inzwischen in Opferschutzeinrichtungen untergebracht worden seien, habe sich der verdächtige Slowake ins Ausland abgesetzt, berichtet Polizeichef Ruf. Für eine Verlängerung der U-Haft hätten die Vorwürfe nicht gereicht.

Couragierte Studentin

Aufgeflogen ist die Sache übrigens nicht durch die Ermittlungen, sondern durch die Zivilcourage einer slowakischen Studentin. Dieser hatte eine der Betroffenen anvertraut, dass sie zum Betteln gezwungen werde. Die Studentin schaltete die Botschaft ein.

Wie so oft im Streit um die Bettler in Salzburg gibt es auch diesmal zwei Interpretationen zu den Ermittlungen. Polizeichef Ruf fordert sektorale Bettelverbote in der Stadt und ein Anmeldesystem für Bettler. Außerdem müsste der Landtag das gewerbsmäßige Betteln grundsätzlich verbieten.

"Nur zwei Fälle aufgedeckt"

"Offensichtlich habe die Soko-Bettler in den letzten 14 Monaten nur zwei Fälle aufgedeckt", sagt hingegen die Sozialsprecherin der SPÖ Andrea Brandner. Das bestätige, dass die oft angenommenen "mafiösen" Strukturen de facto nicht vorhanden seien.

Auch die für Sozialfragen ressortzuständige Vizebürgermeisterin Anja Hagenauer (SPÖ) hat mit dem Vorstoß von Ruf wenig Freude: "Armut kann man nicht mit Gesetzen bekämpfen", sagt sie im Standard-Gespräch. Das viel gepriesene sektorale Bettelverbot funktioniere in München nicht, und wie man damit Menschenhandel unterbinden könne, erschließe sich ihr nicht.

Notversorgung

Hagenauer sucht derzeit gemeinsam mit der Caritas eine basale Notunterkunft für 40 Bettler. Zudem wird ein von Stadt und Ärztekammer betriebener Virgilbus für die medizinische Notversorgung sorgen.

An die Polizei hat Hagenauer auch einen Wunsch: Diese sollte bei der Aufklärung der vielen rechtsradikal motivierten Straftaten ein ähnliches Engagement an den Tag legen wie beim Thema Bettelei. Beinahe wortgleich übrigens die Reaktion der Bürgerliste.

Die Plattform Menschenrechte warnt vor einer Kriminalisierung Bettelnder. Als Reaktion auf den Bericht der Polizei will die Plattform kommende Woche ihrerseits Erhebungsergebnisse vorlegen. (Thomas Neuhold, DER STANDARD, 19.9.2014)