"Wer das Land liebt, muss die Stadt stärken": Diesen "guten, alten Raumordnungsspruch" des Stadtplaners Arnold Klotz sieht Klaus Lugger in der Innsbrucker Politik nun endlich beherzigt.

Foto: Putschögl

Klaus Lugger, Chef der Neuen Heimat Tirol, baut lieber Passivhäuser als Autoabstellplätze. Die Hoffnung, einen Wohnbau ganz ohne Tiefgarage bauen zu dürfen, will er "noch nicht aufgeben ".

STANDARD: Sie sind innerhalb der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft ein Vorreiter des Passivhauses. Anderswo hat man große Bedenken, was das Kosten-Nutzen-Verhältnis betrifft. Verstehen Sie diese Skepsis?

Lugger: Ja, die verstehe ich total. Wir bauen nur deshalb Passivhäuser, weil das System der Tiroler Wohnbauförderung die Mehrkosten - vier bis sechs Prozent der Errichtungskosten - wegsubventioniert. Hier gibt's also eine Landespolitik, die sagt: Wir glauben nicht, dass es sich ohne diesen Zuschuss rechnen würde. Die Kollegen in anderen Ländern haben die Sorge, von der Politik zwar höhere Zielvorgaben zu bekommen, aber nicht mehr Geld. Das funktioniert nicht. Da steigen nur die Mieten um drei Prozent, wenn sie ein Passivhaus bauen. In Tirol kriegen wir politisch keine solche Zielvorschreibung. Das System beruht auf Freiwilligkeit.

STANDARD: Haben Sie Signale, dass das auch so bleiben wird?

Lugger: Wohnbauförderung ist natürlich ein sich laufend entwickelndes System. Im Moment gibt's aber keine Anzeichen auf eine Änderung. Wenn doch eine stattfindet, müssten wir unsere Politik neu bewerten. Allerdings verringern sich die Mehrkosten des Passivhauses schon allein dadurch, dass sich der erlaubte maximale Heizwärmebedarf in den Bauvorschriften immer weiter absenkt. Ein Passivhaus weist bekanntlich unter 10 kWh/m²/Jahr auf. Wenn die Bauordnung 20 kWh statt 30 vorschreibt, wird der Unterschied immer kleiner.

STANDARD: Inwiefern spielt es für Sie auch eine Rolle, dass es in Tirol ein Zuschusssystem gibt, im Gegensatz zu Darlehensmodellen in manchen anderen Bundesländern?

Lugger: Das spielt eine große Rolle, natürlich. Anders wird das Passivhaus nicht angenommen werden. Unser System ist ein perfektes. Ein Darlehen muss man zurückzahlen. Das Wichtigste ist aber die Kontinuität: Wenn eine Landesregierung alle paar Monate etwas Neues beschließt, ist das für die Bauträger eine Katastrophe.

STANDARD: Also birgt jeder Regierungswechsel in einem Bundesland potenzielle Gefahr in sich?

Lugger: Nicht jeder Regierungs-, aber jeder Systemwechsel. In Salzburg gab es jetzt einen brutalen Bruch, aber es gab ja auch schon Regierungswechsel ohne Systemwechsel - etwa auch in Tirol, als es zu Schwarz-Grün kam.

STANDARD: Sie sprechen die jüngste Reform der Wohnbauförderung in Salzburg an, wo man wieder zum Zuschussmodell übergeht. Außerdem werden dort nun auch gewerbliche Bauträger den gemeinnützigen gleichgestellt, was den Zugang zu Wohnbaufördermitteln betrifft. Finden Sie das gut?

Lugger: Da kann ich den Kollegen nur sagen: Fürchtet euch nicht. Der Wettbewerb mit den Gewerblichen ist nichts, was wir nicht derpacken. Im Land Tirol gibt's diese Gleichbehandlung seit Jahrzehnten, was dem Wettbewerb gutgetan hat. Das war eine gute Entscheidung, die wir am Anfang zähneknirschend zur Kenntnis genommen haben.

STANDARD: Beim Tiroler Wohnbaulandesrat Johannes Tratter liegen nun erstmals die Bereiche Bauordnung, Raumordnung und Wohnbauförderung in einer Hand. Wie ist hier Ihre Bilanz nach gut zwei Jahren?

Lugger: Tratters beruflicher Werdegang ist sein großer Vorteil. Er ist einerseits Landesbediensteter, kennt also den inneren Betrieb eines Landes. Außerdem war er Bürgermeister von Hall, daher weiß er auch, wie ein Gemeinderat tickt. Als Bürgermeister hat man außerdem quasi automatisch eine unglaubliche Bürgernähe. Und er führt sein Amt jetzt in einer neuen, sehr guten Konstellation, weil eben diese Politikfelder vereint sind. Wir spüren seine Bemühungen, etwa in der Bauordnung, bei den Tiefgaragenplätzen, dämpfend einzuwirken. In Sachen Wohnbauförderung ist er relativ hart, was die angemessenen Baukosten, also die Grenze der förderbaren Baukosten, betrifft. Aus Kundenorientierung heraus ist das verständlich, auch wenn uns das ein bisschen wehtut. Bei den jüngsten Ausschreibungen waren wir um 20 Prozent über den angemessenen Baukosten. Wir mussten uns also bei der Fläche, der Dichte, den Erträgen ordentlich dahinterklemmen, die Vorgaben doch noch zu schaffen. Da ist er also auf Deutsch gesagt ein harter Hund zugunsten der Mieterschaft.

STANDARD: Sind für Sie nicht die Grundkosten das größere Problem?

Lugger: Nein, das größte Problem sind ganz eindeutig die explodierenden Baukosten bei zu hohen Qualitäten. Das Passivhaus ist natürlich auch ein Thema, aber vor allem liegt das an OIB-Richtlinien und Önormen. Und vor allem schreiben die Gemeinden zu viele Tiefgaragenplätze vor. Innsbruck ist mit dem 1:1,1 - also im Durchschnitt 1,1 Stellplätzen pro Wohnung - vernünftig. Das ist für eine Landeshauptstadt voll in Ordnung. Aber in Kirchberg gilt beispielsweise 1:2,7. Wie soll das eine Kundschaft blechen können, die 900 Euro an Einkommen hat? Meine große Hoffnung ist, dass wir hier endlich die Wende schaffen. Da sage ich schon lange: Lasst uns einfach einmal ein Haus ohne Tiefgarage bauen. Ich gebe da die Hoffnung noch nicht auf.

STANDARD: Zum Schluss noch nach Innsbruck. Die Stadt wächst stark - wie reagiert die Politik?

Lugger: Wir haben hier gleich viele Studenten wie in Bologna, im Verhältnis zur Einwohnerzahl betrachtet. Die Stadt wächst sehr stark, die Politik setzt zunehmend auf Innenverdichtung. Da gibt's den alten Spruch vom Wiener Stadtplaner Arnold Klotz, einem guten Freund von mir: "Wer das Land liebt, muss die Stadt stärken." Das ist ein guter, alter Raumordnungsspruch. Er bedeutet: Nicht die Stadt jeden Tag weiter rausfressen lassen in die Felder, sondern dicht, dicht, dicht zusammenhalten. Die Innsbrucker Politik setzt das nun um. Ich bin jetzt 40 Jahre im selben Unternehmen und habe bisher eigentlich immer gelitten unter meiner Heimatstadt. Sehr oft wollte ich dichter bauen als erlaubt und wurde immer gebremst. Heute hat sich das umgedreht, ich werde jetzt von der Politik regelrecht dazu gedrängt, noch ein bisschen dichter zu bauen. Erst unlängst habe ich zur Innsbrucker Stadtplanerin Erika Schmeissner gesagt: "Dass ich das noch erleben darf!" (Martin Putschögl, DER STANDARD, 20.9.2014)