München/Riga/Warschau - Der russische Präsident Wladimir Putin hat einem Zeitungsbericht zufolge gegenüber dem ukrainischen Staatschef Petro Poroschenko mit einem Einmarsch in Polen, Rumänien oder dem Baltikum gedroht. "Wenn ich wollte, könnten russische Truppen in zwei Tagen nicht nur in Kiew, sondern auch in Riga, Vilnius, Tallinn, Warschau oder Bukarest sein", sagte Putin laut der "Süddeutschen Zeitung" vom Donnerstag.
"Gewöhnliche Ente"
Der Kreml hat den Bericht als "gewöhnliche Ente" zurückgewiesen. "Wir halten es schon nicht mehr für möglich, auf solche Mitteilungen einzugehen", sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow am Donnerstag dem Radiosender "Echo Moskwy".
Der kremlkritische Radiosender nutzte den Bericht als Vorlage für eine Satire, wonach Putin schon ein "großer Zauberer" sein müsse, mit Panzern innerhalb so kurzer Zeit nicht nur Kiew einzunehmen, sondern auch noch fünf weitere Hauptstädte.
Die Zeitung beruft sich auf eine ihr vorliegende Gesprächszusammenfassung des Auswärtigen Dienstes der EU von einem Treffen zwischen Putin und Poroschenko am vergangenen Freitag in Kiew.
Poroschenko berichtet Barroso
Bei dem Treffen in Kiew habe Poroschenko dem scheidenden EU-Kommissionspräsidenten Jose Manuel Barroso von den Drohungen berichtet, so die Zeitung. Anfang September war bereits berichtet worden, Putin habe in einem Telefonat mit Barroso gesagt: "Wenn ich wollte, könnte ich Kiew binnen zwei Wochen einnehmen." Barroso hatte beim EU-Gipfel Ende August von dem Telefonat berichtet. Der Kreml hatte daraufhin kritisiert, dass Barroso den Inhalt eines privaten Telefonats publik gemacht habe.
Warnung an Poroschenko
Die "SZ" berichtete nun unter Berufung auf die Gesprächszusammenfassung, Poroschenko habe die angebliche Äußerung Putins zitiert, um deutlich zu machen, wie emotional der russische Staatschef auf den Einfluss der EU auf Staaten in der russischen Nachbarschaft reagiere. Poroschenko hatte in den vergangenen Wochen mehrfach mit Putin telefoniert, um den Waffenstillstand in der Ostukraine auszuhandeln und Putins Zustimmung zu einem Zwölfpunkteplan für die Beilegung des Konflikts zu erhalten.
Demnach warnte Putin in den Gesprächen Poroschenko davor, sich zu sehr auf die EU zu verlassen. Er könne durch bilaterale Kontakte Einfluss nehmen und eine "Sperrminorität" im Europäischen Rat bewirken, die für Russland negative Entscheidungen verhindere, soll Putin gesagt haben. Mehrere Länder wie Ungarn, Bulgarien, Zypern und die Slowakei sehen die Verschärfung der EU-Sanktionen gegen Russland kritisch und könnten sich künftigen Strafmaßnahmen widersetzen.
Kein Kommentar von EU-Kommission
Die EU-Kommission will einen Zeitungsbericht über die angebliche Drohung des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit dem Einmarsch in Polen, Rumänien oder dem Baltikum nicht bestätigen oder kommentieren. "Wir werden keine Diplomatie über die Presse machen oder Auszüge aus vertraulichen Gesprächen diskutieren", teilte eine Kommissionssprecherin am Donnerstag in Brüssel auf AFP-Anfrage mit.
Mogherini und Faymann wollen Druck ausüben
Die designierte EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hat Putin aufgefordert, die in Minsk vereinbarten Friedensarrangements mit der Ukraine auch umzusetzen. Nach einem Gespräch mit Kanzler Werner Faymann in Rom sagte sie, es seien zwar offenbar bereits 70 Prozent der russischen Soldaten aus der Ukraine abgezogen, doch müsse es weitere Schritte geben.
In diesem Sinne sollte auch Faymann "mit Nachdruck" mit Putin sprechen, so Mogherini. Faymann hatte angekündigt, nach dem Gespräch mit der künftigen EU-Außenbeauftragten entweder noch am Donnerstag oder am Freitag mit Putin telefonieren zu wollen. Mogherini bezeichnete diese und andere EU-Bemühungen als "Steinchen im Friedensmosaik". Allerdings müsse auch die Ukraine noch in Minsk getroffene Vereinbarungen umsetzen. (APA, 18.9.2014)