In Ägypten, das angesichts der Schrecken in der Region zuletzt etwas aus dem medialen Fokus gerutscht ist, steht ein heißer Herbst bevor. Hoffentlich nur politisch: Wie prekär die Sicherheitslage teilweise ist, zeigen die Meldungen vom Sinai, wo nichts weniger als ein Krieg zwischen dem Staat und radikalen Gruppen stattfindet. Und an Ägyptens Westgrenze brennt Libyen.

In Kairo steht noch vor Jahresende der letzte Schritt auf dem Fahrplan bevor, den Abdelfattah al-Sisi, damals noch Armeechef, heute Präsident, nach dem Sturz von Mohammed Morsi ausgegeben hat: Parlamentswahlen. Seit Sommer 2012 hat Ägypten kein Abgeordnetenhaus, es fiel schon ein Jahr vor Morsis Absetzung dem Machtkampf zwischen Justiz und Muslimbrüdern zum Opfer.

Vor den Wahlen gibt es das Problem für die Obrigkeit, wie sie mit den kritischen Jungen umgehen soll. Sie versucht, alle politischen Aktivitäten an den Universitäten zu blockieren: Der Beginn des akademischen Jahrs wurde verschoben, Studentenvereine dürfen nicht mehr politisch sein. Andererseits setzt die Justiz einige kriminalisierte Revolutionsidole von 2011 - etwa den Blogger @alaa - auf freien Fuß. Aber zu viele - wie Ahmed Maher, der Gründer der Jugendbewegung 6. April - sind noch in Haft, einige davon im Hungerstreik gegen das Demonstrationsgesetz. Wenn es nicht gelingt, diese Leute auf dem Weg zur Normalisierung mitzunehmen, ist sie zum Scheitern verurteilt. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 17.9.2014)