Der ORF zeigte am Montagabend wunderbar vor, wie das mit der Umverteilung gehen kann. Zum Beispiel, wenn eine Stimme gehört werden will, während eine andere vorübergehend verstummt - jene des Kanzlers nämlich. Werner Faymann lag mit Angina im Bett, als er eigentlich mit Peter Resetarits im Studio der ORF-Sommergespräche sitzen sollte.

Dort also, wo eine Woche zuvor eine 75-jährige pensionierte Wirtin aus Rauris Reinhold Mitterlehner die Leviten las. Sie brauchte eine Stunde, um alles loszuwerden, was sie dem Vizekanzler zu sagen habe, so Frieda Nagl damals. Das hatte nicht nur ein Nachspiel nach der Liveübertragung, wo sie sich den ÖVP-Chef noch herfing. Sie bekam auch ihre Sendezeit: Einen Beitrag in der Sendung Thema, die statt des entfallenen Kanzlers eingeschoben wurde. Man sah die Frau, die fünf Kinder und neun Enkel hat und auch schon zehn Jahre im Gemeinderat saß, zu Hause.

Dort stand die von Medien "Wut-Oma" oder "Alpenrebellin" Getaufte am Herd, rührte in einem riesigen Topf und erzählte, was sie sich im Studio dachte, als sie Mitterlehner sah: "Du brauchst gar net so protzig schaun, di kriag i a no."

Man erfuhr, dass sie Vater und Ehemann früh verlor, selbst ihren Mann stand und einen von der Versteigerung bedrohten Hof mit einer Spendenaktion rettete. Freunde, Fans und politische Parteien, die sie anwerben wollen, lassen nun ihr Telefon heiß laufen. Doch Frieda bleibt in ihrer Küche, wo sie mit erhobenem Zeigefinger im Topf rührend den Vizekanzler warnt: "Wehe Steuern erhöhen!" Und wehe, wenn er sie nicht besucht! Sollte der Kanzler nächste Woche noch krank sein, erwarten wir die Sondersendung: "Reinhold in Rauris". (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 17.9.2014)