Wien – Das Thema Jihadismus steht nun auch auf der Agenda des Unterrichtsministeriums. Wie derStandard.at erfuhr, hat Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) veranlasst, dass die islamistische Radikalisierung Jugendlicher im Herbst als eigener Tagesordnungspunkt bei Schulaufsichtskonferenzen abgehandelt wird. Zudem werde derzeit eine "beratende Expertengruppe" gebildet. Diese soll sich mit der Frage beschäftigen, "was die nächsten Schritte im Schulsystem sein können und wo noch Handlungsbedarf besteht".

Verdachtsfälle melden

Lehrende seien außerdem angehalten, mit den Eltern Kontakt aufzunehmen, wenn das Verhalten des Kindes auffällig sei, und hätten "begründete Verdachtsfälle" den Vorgesetzten, also dem Direktor oder der Schulaufsicht, zu melden, heißt es aus dem Büro der Unterrichtsministerin. Eine ähnliche Direktive hat Wiens Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl bereits vergangene Woche ausgegeben. Sie forderte Lehrer auf, problematische Fälle dem Stadtschulrat zu melden.

"Das Bildungs- und Frauenressort setzt bereits eine Reihe von Maßnahmen, um Lehrer und Schüler umfassend zu informieren und zu sensibilisieren", sagt Heinisch-Hosek. "Es geht um effektive Prävention und Reaktion auf Tendenzen der Radikalisierung an den Schulen. Jeder Lehrer, jede Lehrerin, aber auch jeder Schüler, jede Schülerin soll wissen, wo er oder sie sich hinwenden kann."

Kritik von Lehrer- und Elternvertretern

Matthias Hofer, Mediensprecher der AHS-Gewerkschaft, sieht eine Meldepflicht kritisch. "Ich bin kein Experte - was ist, wenn ich einen Schüler zu Unrecht beschuldige und in Misskredit bringe?", fragt er. Die Schule könne nicht die Anlaufstelle für jedes gesellschaftliche Problem sein, und Lehrer dürften damit nicht alleingelassen werden.

Bedenklich sei, dass an den Schulen nun eine Religionsgruppe "unter Beobachtung" gestellt werde, sagt Elisabeth Rosenberger, Vorsitzende des Elternverbands für mittlere und höhere Schulen, zu derStandard.at. Dass alle Verdachtsfälle direkt an die Direktion oder an die Schulaufsichtsbehörde gemeldet werden sollen, sieht sie kritisch. Zielführender fände Rosenberger eine unabhängige Ombudstelle, an die sich etwa auch Eltern wenden können, ohne gleich Konsequenzen befürchten zu müssen.

"Nachhaltige Lösung statt Schnellschüsse"

Sabine Etl, Gruppentrainerin bei der Männerberatung und Lehrende am Universitätslehrgang "Muslime in Europa", warnt davor, leichtfertig Schüler zu melden. Wichtiger sei es, die Beziehung mit dem Jugendlichen stets aufrechtzuerhalten, mit ihm in einen respektvollen Dialog zu treten und gegebenenfalls Experten hinzuzuziehen. Von der Politik fordert sie eine "nachhaltige Lösung statt Schnellschüsse". Islamische Religionspädagogen müssten beispielsweise strukturell in den Schulverband integriert werden, um einen Austausch mit anderen Lehrern zu gewährleisten. (Katrin Burgstaller, derStandard.at, 16.9.2014)