Die sich Ende der 1980er-Jahre bereits deutlich abzeichnenden Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt stärkten damals Überlegungen, eine öffentliche Dienstleistungseinrichtung ähnlich einer effizienten Konzernpersonalabteilung zu gestalten. Mit dem Arbeitsmarktservicegesetz und dem Arbeitsmarktpolitikfinanzierungsgesetz wurde ein Schlussstrich unter die überholte Form der Arbeitsmarktverwaltung in Österreich gezogen. Dafür war intensive Überzeugungsarbeit vor allem bei den politischen Parteien, der Gewerkschaft, den Führungskräften der Arbeitsmarktverwaltung und den Sozialministern notwendig.

Heute ist es selbstverständlich, dass das AMS ein "Service für Unternehmen" (SfU) mit spezialisierten Mitarbeitern hat, die vor Ort Unternehmenskunden besuchen, Dienstleistungen anbieten und Besetzungswünsche aufnehmen. Der immense Vorteil der heutigen Entscheidungsstrukturen im AMS ist zweifellos, dass auf allen Entscheidungsebenen die Arbeitnehmer, die Arbeitgeber und die Regierung unmittelbar in die Arbeitsmarktpolitik eingebunden sind. Dies ist eine Mitbestimmungsstruktur, die es europaweit in dieser Form nicht gibt. Die "performance" im Vergleich der nationalen Arbeitsmarktagenturen in Europa kann sich sehen lassen.

Nach nun bereits 25 Jahren Internet zeichnet sich ein weiterer massiver Veränderungsdruck für Wirtschaft, Arbeitsmarkt und den Bildungsbereich ab. Insbesondere Marktverschiebungen und neue Technologien, aber auch neue Konsumenten wie Touristen aus China und Russland werfen ihre Schatten voraus.

Ansprüche steigen weiter

Regionale Wirtschaftsstrukturen und Qualifikationsanforderungen an Arbeitskräfte und Arbeitsuchenden werden sich weiter intensiv verändern. Damit kommt auch auf die "public employment agency" (AMS) eine große Herausforderung zu. Der Anspruch an die Arbeitskräfte im Inland, höhere und höchste Qualifikationen zu haben, wird steigen.

Dementsprechend wird neben der Ausbildung der Jugend die Erwachsenenweiterbildung noch mehr "strategische" Bedeutung erlangen. Es ist nicht einzusehen, warum das AMS mit Mitteln der Arbeitslosenversicherung (ALV) allein diese wichtige Aufgabe auf Dauer bewältigen soll. Der volkswirtschaftliche Nutzen der verstärkten Investition in die Erwachsenenweiterbildung ist wohl als "res publica" anzusehen und analog zur Ausbildung der Jugend aus dem Bundesbudget zu finanzieren. Dann könnte auch der Beitragssatz zur ALV - im Sinne einer Lohnnebenkostenentlastung - abgesenkt werden.

Die Wirtschaftskrise 2008 mit steigender betrieblicher Unterauslastung führte zu einem erheblichen Anstieg der Kurzarbeitsfälle. Um die Mitarbeiter in Kurzarbeit durch Weiterbildungsmaßnahmen vorzubereiten, wurde im AMS 2009 ein sogenanntes "Standing Committee on New Skills" eingerichtet, das sich mit neuen technischen und organisatorischen Veränderungen und deren Auswirkungen auf das Qualifikationsniveau aller Arbeitskräftegruppen befasst.

Ergebnis ist für Arbeitsuchende und für Beschäftigte ein modular aufgebautes Weiterbildungsangebot. Mit dieser "Innovation" ist das AMS in Österreich gemeinsam mit Finnland führend in der Vorbereitung von Erwachsenen auf die neuen qualifikatorischen Ansprüche in der Arbeitswelt.

Über diese New-Skills-Anforderungen hinaus besteht jedoch Bedarf an weiteren Innovationen in der Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik in Österreich, als Ziel-"Objekte" seien angeführt:

Q Demografie: Attraktive Incentives für Arbeitskräfte und Betriebe zum längeren und produktiven Verbleib im Arbeitsleben (z. B. Bonus für längeres Arbeiten, spürbare Entlastung von Arbeitszusatzkosten bei "50+" ); Etablierung eines nationalen (befristeten) Förderprogramms zur Gestaltung altersgerechter Arbeitsplätze in Betrieben vor allem durch Sozial-und Wirtschaftsminister

Q Mobilität: Der wirtschaftliche Wandel wird verstärkt mit Verschiebungen von Beschäftigungsstrukturen (sowohl räumlich als auch qualifikatorisch) verbunden sein. Die Herausforderung wird sein, beruflich und regional geeignete Mitarbeiter zeitgerecht verfügbar zu haben.

Q Jugend: Etablierung eines nationalen Mentoringprogramms für Schüler und Jugendliche, die Schwierigkeiten mit dem Lernfortschritt haben, bis zur abgeschlossenen Berufsausbildung.

Nach 20 Jahren anerkennenswerter Entwicklung des AMS ist es nun notwendig, eine Strategie für die nächsten 20 Jahre zu finden, damit sich dieses weiterhin als unverzichtbare Institution der österreichischen Arbeitsmarktpolitik und damit der Arbeitskräfte und Unternehmen profilieren kann. Das AMS muss aber in eine effektive Beschäftigungspolitik eingebettet werden - eine große Kraftanstrengung liegt vor der Politik! (Wolfgang Tritremmel, DER STANDARD, 16.9.2014)