Gerechtigkeitsindex: Schweden liegt ganz vorne, Österreich kommt immerhin auf Platz sechs.

Grafik: Standard

Bild nicht mehr verfügbar.

Alltag für Kinder von Migranten in Athen. Nirgends in Europa kommt soziale Gerechtigkeit so zu kurz wie in Griechenland.

Foto: Reuters

Europa macht Fortschritte bei der wirtschaftlichen Stabilisierung, das Niveau an sozialer Gerechtigkeit hat aber in den vergangenen drei Jahren in den meisten EU-Staaten abgenommen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der deutschen Bertelsmann-Stiftung, die heute, Montag, europaweit veröffentlicht wird.

Rund 100 Wissenschafter haben 35 Kriterien in allen 28 EU-Staaten unter die Lupe genommen. Ihr Befund: Während in Schweden, Finnland, Dänemark und den Niederlanden nach wie vor ein hohes Maß an sozialer Teilhabe verwirklicht ist, hat die soziale Ungerechtigkeit in Ländern wie Griechenland, Spanien, Italien oder Ungarn zugenommen.

Vor allem in den Krisenstaaten der EU ist es nicht gelungen, die teilweise massiven Einschnitte sozial gerecht aufzuteilen. Besonders jüngere Menschen sind stärker von sozialer Ungerechtigkeit betroffen. Während die Altersarmut vielfach zurückgegangen ist, sind 28 Prozent der Kinder und Jugendlichen EU-weit von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht.

Österreich auf Rang sechs

Österreich hält mit Rang sechs im Gesamtindex Anschluss an die Spitzengruppe. "Dem Land ist es gelungen, seine sozialen Errungenschaften während der Krise im Wesentlichen zu erhalten", sagt Studienautor Daniel Schraad-Tischler zum STANDARD.

Als Erfolgsfaktoren sieht er die Sozialpartnerschaft und die vergleichsweise niedrige Arbeitslosigkeit. Auch sei die Jugendarbeitslosigkeit in Österreich EU-weit am niedrigsten. "Das ist auch dem dualen Ausbildungssystem zu verdanken, weil Lehrlinge während ihrer Ausbildung auch Praxisbezug haben", erklärt Schraad-Tischler.

Defizite beim Praxisbezug

Gerade bei der Ausbildung von Jugendlichen könnte Österreich Vorbild für die krisengeplagten Staaten Südeuropas (Spanien, Griechenland) werden, sagt er: "Natürlich kann man das System eines Landes nicht eins zu eins auf ein anderes übertragen." Doch Österreich könnte sein Know-how anbieten, denn in jenen Ländern mit hoher Jugendarbeitslosigkeit gebe es bei der praktischen Ausbildung hohe Defizite.

Doch es gibt auch Bereiche, in denen die Studie Österreich kein gutes Zeugnis ausstellt. Wie schon von der OECD in der Vorwoche wird auch in der Bertelsmann-Studie kritisiert, dass der Einfluss der sozialen Herkunft auf den Bildungserfolg von jungen Menschen immer noch zu hoch und keine wirkliche Chancengerechtigkeit gegeben sei. Hier kommt Österreich EU-weit nur auf Rang 23. (Birgit Baumann, DER STANDARD, 15.9.2014)