Auf dem Sexfaktor wird nicht herumgeritten: Jürgen Vogel und Lavinia Wilson in der Verfilmung von "Schoßgebote", ab 19.9. im Kino.

Foto: Constantin Film

Wien - Charlotte Roches Roman Schoßgebete ist für eine Verfilmung denkbar schlecht geeignet. Eine mitteljunge, vom Schicksal schwer mitgenommene Frau überschüttet den als Zweittherapeuten dienenden Leser mit ihren von Verlustängsten und zwanghaftem Perfektionismus geprägten Gedanken zu Mülltrennung und Bordellbesuchen. Eine Selbstentblößung, die als tragikomisch oder nervtötend wahrgenommen werden kann, deren Plot jedoch nur wenig Stoff für eine Dramatisierung bietet, insbesondere wenn nach dem immensen kommerziellen Erfolg von Roches Büchern ein entsprechend großes Publikum angesprochen werden soll.

Charlotte Roches Roman Schoßgebete ist für eine Verfilmung denkbar prädestiniert. Eine Startauflage von 500.000 Exemplaren kann nicht irren, und Roches Romanerstling Feuchtgebiete, der gern als "Ekelporno" bezeichnet wurde und Analfissuren zum Literaturkränzchenthema machte, fand schließlich 2013 auch seinen Weg auf die große Leinwand. Mediale Aufmerksamkeit ist bei allem, wo Charlotte Roche draufsteht und eine Spur von Sex vermutet werden darf, sicher.

So kam es, wie es kommen musste, und Schoßgebete ist ab dieser Woche im Kino zu sehen. Regie führte Sönke Wortmann, Produzent Oliver Berben debütiert als Drehbuchautor. Beiden ist anzurechnen, dass sie nicht auf dem Sexfaktor herumreiten.

Klar, Hauptdarstellerin Lavinia Wilson spricht in der Rolle des "Scherbenhaufens" Elizabeth Kiehl auch oft über den vermeintlichen Problemlöser Beischlaf, und der angesprochene Bordellbesuch wird ausreichend zelebriert.

Zu noch größerem Anteil als das Buch legt der Film aber sein Hauptaugenmerk auf den einige Jahre zurückliegenden Tag von Elizabeths geplanter Hochzeit, an dem drei ihrer Geschwister ums Leben kamen. Statt zu heiraten, trennte sich Elizabeth in weiterer Folge vom Vater ihrer Tochter, um nun mit dem in sich ruhenden Georg (Jürgen Vogel, ungewohnt zurückgenommen) zusammenzuleben. Über den schrecklichen Unfall, an dem sie sich teilweise selbst die Schuld gibt und der sich auch in Charlotte Roches Leben ereignete, ist sie bis heute nicht hinweggekommen.

Lavinia Wilson liefert eine sehr überzeugende Leistung, lässt Elizabeth in ihrer einmal sehr kindlichen, einmal sehr gefassten Art lebendig, ihre Trauer und Ängste spürbar werden. Dagegen, dass das beständige Geplapper der Protagonistin aus dem Off mitunter etwas nervig werden kann, ist sie freilich auch machtlos.

Das Hauptproblem des zu sauber gemachten Films liegt jedoch auf der Ebene der Geschichte. Diese lässt die im Roman ansatzweise gegebene Struktur vermissen und kulminiert so in einer Art Happy End, das mit der vorangegangenen Nichtentwicklung kaum in Einklang zu bringen ist und daher leider wenig befriedigt. (Dorian Waller, DER STANDARD, 15.9.2014)