Die Europäer müssen sich positionieren: Die von US-Präsident Barack Obama ausgerufene Offensive gegen den "Islamischen Staat" (IS) ist auch eine Aufforderung an andere Staaten, sich der Bekämpfung dieser Terrororganisation anzuschließen. Zehn arabische Staaten - darunter Saudi-Arabien - sagten unter anderem zu, die Finanzströme der Extremisten und den Zulauf ausländischer Kämpfer zu stoppen.

Bei den angekündigten Luftangriffen auf IS-Stellungen im Irak und in Syrien setzt Obama auf die Unterstützung der Europäer - und bringt diese in Zugzwang. Großbritannien schließt eine Beteiligung im Irak nicht aus, für Syrien gibt es ein einschränkendes Votum des Unterhauses vom Spätsommer 2013. Auch Frankreich ist bereit, sich dem von Obama angebotenen Anti-Terror-Bündnis anzuschließen.

In Deutschland streitet die große Koalition aus CDU/CSU und SPD, ob die bereits begonnene Lieferung von Waffen an die Kurden im Nordirak nicht als Beitrag zu dem ausreicht, wozu man sich gerade durchgerungen hat: künftig eine aktivere Rolle in der internationalen Politik zu spielen.

Für europäische Regierungen war es unter George W. Bush einfacher, sich zurückzulehnen und den "Krieg gegen den Terror" den Amerikanern zu überlassen. Der damalige Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hatte zwischen altem und neuem Europa unterschieden - zwischen Kriegsverweigerern wie Deutschland und Unterstützern wie den osteuropäischen Staaten. Obama formuliert jedoch Einladungen und setzt statt unilateralen Vorgehens auf Bündnisse. Das wollten die Europäer von Bush, nun bekommen sie es von Obama - und sind nicht froh darüber.

Die Frage, ob Luftschläge gegen die Terrorgruppe IS insbesondere in Syrien mit dem Völkerrecht vereinbar sind, kümmert die Amerikaner wenig, die Europäer jedoch mehr. Im Gegensatz zum Irak gibt es keine Bitte der Regierung, in Damaskus einzugreifen. Auch der UN-Sicherheitsrat hat keine Militäraktion autorisiert und wird sich darauf angesichts der Kritik an Obamas Erklärung aus Russland und China in absehbarer Zeit nicht einigen. Zwar hat Obama den Zeitpunkt möglicher Luftschläge in Syrien noch offengelassen, aber die Europäer müssen sich damit auseinandersetzen.

Mit Militäreinsätzen ist es ohnehin nicht getan, der Kampf gegen die IS beginnt auch für die Europäer auf eigenem Boden. Deutschland preschte vor und verbot alle Aktivitäten der Organisation in Deutschland, einschließlich der Propaganda in sozialen Medien, Demonstrationen und des Tragens von IS-Zeichen. Auch in Österreich sind immer mehr Aktivitäten von IS-Sympathisanten in der Öffentlichkeit wahrnehmbar. In der Wiener U-Bahn sind Männer mit Bärten und IS-Abzeichen auf ihrer Kleidung zu beobachten. Auch im Innenministerium melden Bürger solche Beobachtungen.

In Österreich sollte ein weitreichendes Verbot ebenfalls geprüft werden, denn es ist ein Zeichen für eine wehrhafte Demokratie: dass der Staat gegen eine radikale Organisation und ihre Anwerbeversuche vorgeht. Behörden gehen davon aus, dass sich rund 130 Männer und Frauen aus Österreich dem Jihad angeschlossen haben, während es in Deutschland mit rund 400 vergleichsweise wenige sind. Ein Teil der islamistischen Kämpfer ist bereits zurückgekehrt. Auch Österreich ist mit dem Problem der Radikalisierung junger Muslime konfrontiert und kann sich nicht wegducken. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, 13.9.2014)