Verhältnisse innerhalb von Gesellschaften, Strukturen wie Beschäftigung, Bildung, Einkommen, Macht, die sich als Diagramme abbilden lassen, transformieren Anetta Mona Chisa & Lucia Tkácová in der Serie "After the Order" (2010) in Collagen.

Foto: Christine König Galerie

Raumskizze von Stef Heidhues

Foto: Christine König Galerie

Wien - Skizze? Alles ist relativ. Valentin Ruhry braucht für das Festhalten einer Idee weder Bleistift noch Papier, sondern - als Bildhauer (no na!) an räumlichen Konzepten interessiert - dreidimensionales Material. Und so haben der farbbekleckste Sessel aus seinem Atelier, ein schwarzer Plastikkübel (mit allerlei Materialabfällen gefüllt), ein grauer Sockel und eine Glasscheibe sich zur Skizze zusammengefunden.

On Paper heißt die Ausstellung zum Thema Bildhauerzeichnung in der Christine König Galerie, in die Künstler und Kurator Sepp Auer neben Ruhry - zu Recht - noch anderes hineingeschwindelt hat. Ziemlich massiv sind Toni Schmales Arbeitsskizzen - zumindest die hier auf ein ausstellungstaugliches Format gebrachten. Denn eigentlich benutzt sie kleine Skizzenbücher. Als Nitro-Frottage auf Beton, einem Material, aus der Schmale sonst ihre brachial-schönen Maschinen der Macht und des Begehrens fertigt, materialisieren sich allerdings auch die flüchtigsten Ideen. Was nicht passend ist, wird passend gemacht. Zwänge des auf Ware ausgerichteten Kunstbetriebs, an die man bisweilen auch kritisch erinnern muss.

Bei Heribert Friedl, den man etwa für seine Skulpturen aus Duft kennt, zeichnet sich quasi das Atelier auf Klebefolie ab: Eine Art Patina aus Fusseln, Staub, Haaren und toten Insekten, die erst vom Studioboden abgenommen, zu einer Spur wird.

Die Ambivalenz von Materialien, beispielsweise Fahrradketten, die roh und schmutzig sind, aus einiger Distanz aber transparent wirken, fasziniert Stef Heidhues. In Wien zeigt sie collagierte Raumskizzen: Trotz des Integrierens von Fotografie haben diese jedoch eine reizvolle abstrakte Note.

Energieleiter wie Kupferdraht spielen in Judith Fegerls, an der Schnittstelle Mensch-Maschine und technologischen Kreisläufen interessierten Arbeit eine wichtige Rolle: In ihrer Zeichnung Implantat (2009) bewirkt das Material einen Strich, der aus dem Verborgenen an die Oberfläche drängt.

Spannend die schwarz-weißen Collagen von Gisela von Bruchhausen: Im Vergleich mit ihren martialischen Stahlskulpturen freilich sehr zart, trotzdem sind sie mit den Dreidimensionalität erzeugenden Faltungen und Verschränkungen einander sehr verwandt.

Die Konstruktionszeichnung zu Constantin Lusers aus vielen Dutzend Tambourins gefertigtem Trommeliglu (2007) macht neugierig auf die tatsächliche Skulptur. Und Erwin Wurms Vorschlag für "Die vierte Plinthe", den leeren Sockel auf Londons Trafalgar Square, würde man allzugern realisiert sehen: ein Nackter mit Banane im Popo. Ob er dabei an eine One-Minute-Sculpture dachte?

Darüberhinaus hat Auer für die Schau tolle Blätter u. a. von Louise Bourgeois, Alberto Giacometti, Bruno Gironcoli, Antony Gormley, Oswald Oberhuber, Walter Pichler, Fred Sandback und Franz West ausgesucht. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 13.9.2014)