Man kann es als Alarmismus abtun: Wenn aber punktuell bereits Notarztdienste nicht mehr aufrechterhalten werden können, die Hälfte der Medizinabsolventen ins Ausland abwandert oder in andere Berufe wechselt, weil die Arbeit als Arzt oder Ärztin hierorts unattraktiv geworden ist, und wenn es selbst für lukrative Klinikjobs wie Primariate kaum noch Interessenten gibt - dann kann am System etwas nicht mehr stimmen. Die politischen Verantwortungsträger im Bund wissen um die Dramatik, aber sie handeln nicht. Sie wagen auch hier die große, notwendige Reform nicht.

Solange die Machtstrukturen aber so sind, wie sie sind, wird sich nichts ändern. Ein Beispiel: der Einfluss der Bundesländer. Die Landesspitäler sind teilweise die größten Arbeitgeber in den Regionen - und Hochburgen des ÖAAB. Kein Landespolitiker hat Interesse, dass Teile der Versorgung aus den Spitälern abgezogen und in ambulante, patientennahe Zentren ausgelagert werden. Auf diese dringend empfohlenen, auch günstigeren medizinischen Einrichtungen hätten die Länderfürsten keinen Einfluss mehr. Auch die Sozialversicherungen haben null Interesse, denn die neuen Zentren müssten von ihnen finanziert werden.

In diesen Pattstellungen verharrt das Gesundheitssystem. Auch die neue Ministerin Sabine Oberhauser kann nur mit salbungsvollen Worten und Notfalltropfen zusehen, wie der Patient unbehandelt in einen Kreislaufkollaps gleitet. (Walter Müller, DER STANDARD, 13.9.2014)