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Roger Goodell hat Erklärungsbedarf.

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Janay und Ray Rice sind mittlerweile ein Ehepaar.

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Die erste Spielwoche der NFL war gespickt mit sportlichen Highlights. Neben einem beeindruckenden Auftritt des Titelverteidigers Seattle auch noch mit einer Handvoll veritabler Überraschungen durch Miami, Buffalo (mit neuem Besitzer) und Atlanta, die sich gegen die Favoriten New England bzw. Chicago und New Orleans durchsetzen konnten.

Die Schlagzeilen bestimmt aber momentan jemand anderer: Roger Goodell. Der 55-jährige Commissioner der Liga hat sich in der Causa Ray Rice völlig verzettelt, wie er zwischenzeitlich auch zugab. Mittlerweile werden Rücktrittsforderungen laut.

Was ist passiert? Der 27-jährige – mittlerweile ehemalige – Runningback der Baltimore Ravens, Ray Rice, hat im Februar dieses Jahres seine damalige Verlobte und heutige Frau Janay Palmer/Rice brutal zusammengeschlagen. Die Gretchenfrage aktuell ist, ob Goodell und die Liga vom ganzen Umfang des Geschehens wussten, als zunächst nur eine sehr milde Strafe von zwei Spielen Sperre ausgesprochen wurde.

Die Timeline der Geschehnisse:

  • Am 15. Februar werden Ray Rice und seine verlobte Janay Palmer nach einer Auseinandersetzung in Atlantic City verhaftet.
  • Am 22. Februar veröffentlicht TMZ ein Video aus der Überwachungskamera eines Hotels, auf dem Rice seine offensichtlich bewusstlose Verlobte aus dem Aufzug zerrt.
  • Am 5. März gibt Ravens-Headcoach John Harbaugh bekannt, dass sich die beiden in eine Paartherapie begeben werden und weiterhin konkrete Heiratspläne schmieden.

  • Am 21. Mai akzeptiert Rice ein Untersuchungsprogramm, um einer Anklage zu entgehen, und bekennt sich gleichzeitig nicht schuldig der schweren Körperverletzung. Er akzeptiert weiter den verpflichtenden Besuch eines Programms für Ersttäter.
  • Am 23. Mai geben Ray und Janay Rice (dann schon als Ehepaar) eine gemeinsame Pressekonferenz, bei der unter anderem sie sich für ihre Rolle bei dem Vorfall entschuldigt.
  • Am 24. Juli spricht Roger Goodell eine Strafe von zwei Spielen Sperre gegen Rice aus, was heftige Proteste nach sich zieht.
  • Am 28. Juli verteidigt NFL-Vizepräsident Adolpho Birch, zuständig für Arbeitsrecht in der Liga, die milde Strafe, was zu noch größerer Empörung führt.
  • Am 24. August sperrt die NFL Denver-Broncos-Kicker Matt Parter doppelt so lange (vier Spiele) für Alkoholmissbrauch. Die Politik der Liga bei Strafzumessungen gerät damit immer mehr ins schiefe Licht.
  • Am 28. August entschuldigt sich Roger Goodell öffentlich und gibt zu, in der Sache nicht richtig entschieden zu haben. Gleichzeitig kündigt er eine Verschärfung der Strafen für häusliche Gewalt an.
  • Am 8. September veröffentlicht TMZ das komplette Überwachungsvideo. Darauf zu sehen ist, wie Rice seine Frau mit einem linken Haken bewusstlos schlägt und danach aus dem Aufzug schleppt. Danach überschlagen sich die Ereignisse. Die Ravens kündigen ihren Vertrag mit Rice, die NFL suspendiert ihn auf unbestimmte Zeit.
  • Am 9. September äußert sich Janay Rice auf ihrem Instagram-Account (mittlerweile privat) mit einer Breitseite gegen US-Medien, nachdem ihr zuvor von mehreren Seiten unter anderem vorgeworfen wurde, ihren Peiniger des Geldes wegen auch noch geheiratet zu haben.
  • Am 10. September sagt Roger Goodell, dass die Bilder des Videos alles verändert hätten, und beteuert, dass die NFL zuvor nur die Kurzversion gesehen habe.
  • Am selben Tag berichtet Associated Press unter Berufung auf eine Polizeiquelle, dass der NFL das Video in voller Länge bereits seit April bekannt gewesen sein muss.

Kurz danach kündigte die Liga an, dass der ehemalige FBI-Direktor Robert S. Mueller III eine unabhängige Untersuchung leiten werde, um die Wahrheit herauszufinden.

Tatsächlich unschön

Zwei Dinge machen mich bei der Sache stutzig. Das ist zum einen einmal die Tatsache, dass es überhaupt erst der Veröffentlichung des gesamten Videos bedurfte, um hier richtig zu reagieren. Diese zusätzlichen Szenen werden von seinem Ex-Team und der Liga nun als "not pretty" oder in Steigerungsform "ugly" bezeichnet. Ich frage mich, was man denn geglaubt hat, auf diesem Video anderes zu sehen als das. Dass Rice seine Verlobte bewusstlos gestreichelt oder geküsst hat? Wirklich "ugly" ist die gespielte Naivität heute, als gäbe es eine tatsächliche Alternative, eine Frau auf eine weniger grausliche Art und Weise bewusstlos zu schlagen. Sozusagen der "Knockout light".

Das andere ist die angebliche Unfähigkeit, an das Video zu gelangen. Die NFL beschäftigt eine ganze Reihe ehemaliger FBI- und CIA-Mitarbeiter für eben genau solche Untersuchungen. Die alle sollen nicht in der Lage gewesen sein, dieses Video zu besorgen oder zumindest Einsicht zu bekommen? Was ein Online-Tabloid schafft, gelingt der Investigativ-Spezialeinheit der NFL nicht? Das hört sich nicht gerade sehr glaubwürdig an.

Man darf gespannt sein, was bei besagter Untersuchung herauskommt. Sollte sich herausstellen, dass die Liga das ganze Video kannte, wird das wohl auch für Goodell schwerwiegende Konsequenzen haben.

Zurück zum Sport

Die erste Runde brachte auch erste Erkenntnisse. Die Seattle Seahawks konnten ihre Superbowl-Form des Frühjahrs konservieren. Eigentlich scheinen sie defensiv noch schneller und physischer geworden zu sein, und was ihre Offense Green Bay zum Auftakt angetan hat, das war dann schon Verladen für Fortgeschrittene. Eines meiner Highlights der Woche: Seattle am Ende der Partie mit der Read Option scheinbar in Dauerschleife. Als sich dann endgültig alle Packers nach vorne orientiert hatten, kam der kurze Pass auf den allein gelassenen Fullback Coleman. Ein Augenschmaus, wenn auch nicht für Cheeseheads.

Miami ist in der Lage, New England mit zwei Scores Unterschied zu schlagen. Nur eine totale Sonnenfinsternis kommt noch seltener vor. Mit Rob Gronkowski verletzungsbedingt limitiert (immerhin noch ein TD), scheinen Tom Brady ein wenig die wirklich guten Anspielstationen abhandenzukommen. Danny Amendola hat sich nicht als Wes Welker II entpuppt, Julian Edelman ist brav, Kenbrell Thompkins noch nicht so weit. Wenn Brady dann auch noch zweimal fumbelt, reicht das nicht mehr gegen die Dolphins. Am Sonntag geht es nach Minnesota. Und das wird ein harter Brocken. Die Vikings haben mit einem losgelösten Cordarrelle Patterson den höchsten Sieg der Runde fixiert. Allerdings gegen St. Louis, und die scheinen wirklich komplett von der Rolle zu sein.

NFC Best

Die Division der Rams hat es bis auf sie überhaupt drauf. Neben Seattle zeigte sich auch San Francisco, trotz miserabler Preseason und angeblicher Verstimmungen zwischen Team und Coach, in Spiellaune. Wobei Dallas das einzige Team der NFL ist, welches sein gesamtes Talent auch jederzeit zu 100 Prozent gegen sich richten kann. Der Cowboy, dessen Colt im Halfter aufs Knie losging. Die Woche kann ich den Romo-Anwalt jedenfalls nicht spielen. Das war gar nichts. Und Arizona? Der unkaputtbare Carson Palmer in seiner zwölften Saison, bei seinem dritten Team, übertrumpfte Montagnacht Philip Rivers. Die Cardinals zählten in den vergangenen Saisonen schon zu den Geheimfavoriten, am Ende blieb das dann aber jedes Mal noch geheim. Vielleicht wird es heuer was, die Division ist wie gesagt jedoch mörderisch.

Somebody put something in my drink

Nicht kleinzukriegen, das durfte man so auch erwarten, ist Peyton Manning und mit ihm die Denver Broncos als Titelaspirant Nummer eins aus der AFC. Die Colts probten zwar noch den späten Aufstand, den am Ende irreversiblen Schaden richtete Manning aber schon in der ersten Hälfte mit drei Touchdowns auf Julius Thomas an. Nach der Bye Week (Woche 4) werden Kicker Matt Prater und auch Wes Welker zurückkehren. Welker verteilte beim Kentucky-Derby-Pferderennen mit Hut und Sonnenbrille 100-Dollar-Scheine nach Gießkannenprinzip an Besucher und gab danach eine positive Dopingprobe ab. Wie das Amphetamin in seinen Körper kam, das kann er sich freilich nicht erklären. Irgendwer muss ihm was in den Drink gemischt haben.

NFL-Woche 2 im TV

Alle Spiele gibt es wie immer im Gamepass der NFL zu sehen, der jedes Jahr zwar teurer, dafür aber auch umfangreicher wird. Hardcore-Fans kommen um den Luxus nicht herum, aber auch im TV ist einiges zu sehen. Sport 1 US zeigt am Sonntag mit Carolina Panthers vs. Detroit Lions (19 Uhr) ein Spiel zweier Sieger der Woche 1. Vor allem die Lions-Offense sah dabei richtig gut aus, vorneweg Matthew Stafford. Für mich, zusammen mit Andrew Luck, ergeben seine Skills in Summe das beste Quarterback-Gesamtpaket. Starker Arm, scharfes Auge, schnelle Beine, und er trifft die richtigen Entscheidungen. Das könnte gegen Carolina ein tolles Matchup werden. Die Panthers-Front ist nicht so leicht zu lesen wie die fußmaroden sieben der Giants. Eine echte Challenge.

Um 22.25 Uhr sieht man dort das Division-Spiel zwischen Denver und Kansas City. Gefällt mir wegen der Chiefs weniger, hinter die ich doch ein großes Fragezeichen machen würde. Kann mir nur schwer vorstellen, dass das lange spannend sein wird.

Als Alternative um die Uhrzeit darf ich mich (ganz zufällig) selbst aufdrängen. Zusammen mit Michael Eschlböck werde ich das Spiel zwischen Green Bay und den New York Jets auf Puls 4 und im Livestream (Einstieg 22.30 Uhr) kommentieren. Die Begegnung versprach vom Papier her mehr Spaß zu machen, wir werden sehen, ob wir recht behalten. Die Packers stehen nach der Auftaktniederlage ein klein wenig unter Druck, da kommen die Jets gerade richtig, die zwar für ihre Harakiri-Aktionen berüchtigt sind, heuer aber frisch ausgenüchtert wirken. Solide Defense, vernünftiges Laufspiel, Geno Smith (noch) stabil – gegen Oakland war das genug. Lustiges Detail am Rande: Die Videoblogger und Jets-/Packers-Aficionados von Pickings kündigen an, das Spiel ebenfalls live zu kommentieren. Zumindest fast (Zeitverzögerung). Womit ich eines meiner Lebensziele abhaken kann: Ein ORF-Mitarbeiter macht mir den Zweikanalton für Sehbehinderte. Da bin ich ganz Elvis: Thank you, thank you very much.

Bis Sonntagnacht,

Ihr Walter Reiterer

Alle Spiele im Live-Forum der NFL