Zur Bekämpfung des "Islamischen Staats" wird also kein neuer "war on terror" ausgerufen, der so nebenbei auch den Einmarsch in andere Länder (aus anderen Gründen) rechtfertigt, sondern eine Antiterrorismusstrategie, die sich auch militärischer Mittel bedient, erfuhr die Welt am Mittwochabend von US-Präsident Barack Obama. Der Hinweis "wie in Somalia und im Jemen" ist nicht gerade beruhigend, wenn man den Zustand dieser beiden Länder betrachtet, aber sicher treffend: Die USA schlagen dem Drachen beharrlich immer wieder einen der Köpfe ab, der dann woanders wieder nachwächst, in der Hoffnung, dass es doch irgendwann einmal aus ist.

Die Proklamation Obamas war aus zwei Gründen notwendig geworden, erstens weil ihr eine Unterschätzung des Phänomens "Islamischer Staat" (IS) vorausging, zweitens um den Kampf gegen den die IS begleitenden dramatischen politischen Paradigmenwechsel der USA im Nahen Osten verträglicher zu machen. Im Irak ziehen die USA mit dem Iran am gleichen Strang, und in Syrien greifen die USA gegen einen Gegner des Assad-Regimes ein. Das wäre noch zu Jahresbeginn völlig undenkbar gewesen.

Um jenen Teil der arabischen Welt zu beruhigen, der auf den Aufstand in Syrien als Mittel zur Beseitigung Bashar al-Assads - und damit einer Zurückdrängung des Iran - gesetzt hat, müssen die USA ihre Unterstützung der syrischen Opposition ausbauen. Saudi-Arabien wird dabei die führende Rolle übernehmen, auf saudi-arabischem Territorium werden syrische Rebellen militärisch trainiert werden.

Das soll auch die Position Riads als unverzichtbarer US-Verbündeter unterstreichen: gegen den Iran, aber auch gegen den anderen Strang des politischen Islam, die Muslimbrüder, und deren Unterstützer Türkei und Katar. Dafür wird darüber hinweggesehen, dass Saudi-Arabien als Sponsor für Demokratie in Syrien ein Paradoxon ist.

Das neue Vertrauen in die disparate syrische Opposition, die nur von der Gegnerschaft zu Assad zusammengehalten wird, ist in Wahrheit genauso fragwürdig wie die zur neuen Regierung in Bagdad, die eine politische Konsolidierung beweisen soll und aussieht wie eine Versorgungsanstalt für jene Politiker, die den irakischen Karren in den Dreck gefahren haben. Aber Obama bleibt gar nichts anderes übrig, als sich seine Partner schönzureden: Er hat keine anderen. Und zwischen Iran und Saudi-Arabien muss er einen ordentlichen Spagat hinlegen.

Dass Obama die syrische Opposition jedoch als nicht fähig ansieht, die Geschäfte zu übernehmen und dabei Syrien stabil zu halten, erschließt sich daraus, dass er von Assad nur mehr eine Machtteilung und nicht mehr den sofortigen Abgang verlangt. Frappierend ist, dass das auch die iranische Position ist: Teheran versuchte, Assad zu überzeugen, die Opposition an der neuen Regierung zu beteiligen, heißt es. Aber Assad schwimmt momentan, dank IS, politisch obenauf und glaubt, er habe das nicht nötig - und die syrische Opposition könnte sich so eine Kooperation auch gar nicht leisten.

Obama kann die Probleme der Region nicht lösen. Das Ziel ist, zu verhindern, dass sich der "Islamische Staat" festsetzen kann: Wenn die nach dem Ersten Weltkrieg geschaffene Ordnung im Nahen Osten zerbricht - und danach sieht es heute aus -, so soll es keine IS geben, die in das Vakuum vorrücken kann. Das ist im US-Interesse und in jenem der Region. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 12.9.2014)