Wien - Regelmäßig ertönt der Ruf nach Kampagnen, um die eine oder andere Gesundheitsgefahr in den Griff zu bekommen. Doch der Effekt ist oft mäßig. Bei beworbenen Verhaltensänderungen sprechen nur acht bis zehn Prozent der Zielgruppe an. Dieses teilweise ernüchternde Resümee präsentierte Donnerstagnachmittag die Wiener Sozialmedizinerin Anita Rieder bei einem Symposium in Wien.

"Wer profitiert von Gesundheit?", hieß der Titel der Veranstaltung in der Gesellschaft der Ärzte von MedUni Wien und dem Forum der forschenden pharmazeutischen Industrie (FOPI). Profitiert wird dabei oft nicht nur von den betroffenen Menschen, sondern - wenn es um Publikumskampagnen geht - auch von Marketing, Public Relations, Werbung und dahinter stehenden Unternehmen und Berufsgruppen.

"Gesundheitsinformations-Kampagnen sind ein Bereich der öffentlichen Domäne (PublicHealth, Anm.). Sie konzentrieren sich fast immer auf eine gewünschte Verhaltensänderung", sagte die Sozialmedizinerin. Die ersten Konzepte für solche Kampagnen wurden in den USA in den 1960er-Jahren gestaltet. Sie kamen laut der Expertin vor allem aus Marketing und Werbung. Die ersten Beispiele dafür waren jene zum Propagieren der Anti-Baby-Pille und die Anti-Zigaretten-Werbefeldzüge in den Vereinigten Staaten.

Unbekannt, warum Kampagnen funktionieren oder nicht

In Österreich kam diese Entwicklung erst mit einigen Jahren Verzögerung an. "Schach dem Herztod", hieß in den 1970er-Jahren die erste derartige Kampagne des "Herzfonds" und führte in der Folge auch zur Einrichtung von Herzüberwachungsstationen in den österreichischen Spitälern. "Kampf dem Krebs", war später eine ähnliche, groß angelegte Aktion.

Was den Erfolg oder den Misserfolg solcher Kampagnen bestimmt, ist nicht endgültig geklärt. Aber es gibt Hinweise auf entscheidende Faktoren. Anita Rieder: "In einer Meta-Analyse zeigte sich in den USA, dass der Werbefeldzug für das Anlegen der Sicherheitsgurten am erfolgreichsten war." Der Slogan: "Day and Night - Click it or Ticket" ("Tag und Nacht anschnallen - oder einen Strafzettel bekommen", Übers.) war unschlagbar und erreichte 17 Prozent der Zielgruppen. Der Clou, so die Sozialmedizinerin: Dabei wurde ein gesellschaftliches, gesundheitliches Anliegen mit einer gesetzlichen Strafsanktion verquickt. Ähnliche Kampagnen ohne Sanktionsdrohung hingegen zeigten laut der wissenschaftlichen Analyse nur in Drittel oder noch weniger dieser Erfolgsquote.

Realistische Ziele setzen

Entscheidend für den Erfolg sind aber auch noch andere Rahmenbedingungen. Anita Rieder: "Voraussetzung dafür ist ein entsprechendes Angebot an konkreten Maßnahmen, wie zum Beispiel Schutzhelme für mehr Radfahrsicherheit oder Kondome zur HIV-Vermeidung." Man benötige zu der Kampagne auch ein möglichst einfaches "Produkt", das man als Gegenmittel anbieten könne. Die Berücksichtigung der sozialen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und die Unterstützung einer Kampagne durch möglichst viele Partner(organisationen) komme noch hinzu.

Schließlich dürfe man sich für solche Kampagnen nur realistische Ziele setzen, meinte die Expertin. Und: Alle derartigen Projekte sollten begleitend in ihrem Effekt gemessen werden. Die Proponenten überschätzen nämlich sehr oft die Wirkung. (APA, dieStandard.at, 11.9.2014)