Chicago/Wien - Er zählt fraglos zu den Superstars unter den Dinosauriern, und das nicht erst seit seinem Auftritt in "Jurassic Park 3", wo er einem heillos unterlegenen Tyrannosaurus rex mit einem mühelosen Biss das Genick bricht. Dass Spinosaurus aegyptiacus dort vermutlich nicht gerade wissenschaftlich akkurat dargestellt wurde, ist nicht allein den Filmemachern in Hollywood anzukreiden: Wie der größte bekannte fleischfressende Dinosaurier tatsächlich im Detail ausgesehen hat, ist immer noch eine Streitfrage.
Weitgehend einig sind sich die Forscher, dass Spinosaurus riesig war. Bis zu 18 Metern Länge und ein Gewicht von rund neun Tonnen werden ihm zugeschrieben. Außerdem gilt als gesichert, dass er auf dem Rücken ein gewaltiges Segel trug, gestützt von fast 1,7 Meter langen Dornfortsätzen der Rückenwirbel. Sein Schädel war langgezogen und schmal und glich damit jenen von Krokodilen. Unklar war dagegen bisher, ob sich der kreidezeitliche Räuber vor rund 97 Millionen Jahren zweibeinig oder vierbeinig fortbewegte.
Grund für die unsicheren Rekonstruktionsversuche ist die geringe Zahl fossiler Funde. Die ersten Überreste von Spinosaurus entdeckte der deutsche Paläontologe Ernst Freiherr Stromer von Reichenbach 1912 in Ägypten. Die Fossilien wurden nach München gebracht, wo sie jedoch im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden. Vereinzelte Wirbelknochen, Zähne und Schädelteile kamen in den vergangenen 20 Jahren zutage. Sie alle konnten jedoch kaum die vorherrschende These bestätigen, dass Spinosaurus bevorzugt am Wasser lebte.
Neue Funde, alte Dokumente
Das dürfte nun einem internationalen Forscherteam um Nizar Ibrahim von der Universität Chicago gelungen sein. Die Paläontologen entdeckten in der Kem-Kem-Formation in Marokko weitere Knochenreste des Urzeitriesen. Gemeinsam mit den vorhandenen Funden und einer aktuellen Analyse der Reichenbach'schen Aufzeichnungen bilden sie die Basis für eine Neurekonstruktion von Spinosaurus.
Ibrahims zentrale, in "Science" veröffentlichte Conclusio: Spinosaurus war hervorragend an eine aquatische Lebensweise angepasst und damit wohl hauptsächlich schwimmend auf der Jagd nach Haien oder Quastenflossern. An Land bewegte sich der riesige Räuber dagegen auf vier Beinen fort, und zwar vermutlich nicht allzu elegant.
Für diese Schlussfolgerung spricht eine ganze Reihe von körperlichen Eigenschaften: Der lange Hals verlagerte den Schwerpunkt des Körpers weit nach vorne, was Spinosaurus die Bewegung im Wasser erheblich vereinfachte. Seine kräftigen Hinterbeine trugen weit gespreizte Zehen, die möglicherweise von Schwimmhäuten verbunden waren, und seine Nasenlöcher lagen weit hinten am Schädel, ein großer Vorteil, wenn man sich durchs Wasser an seine Beute heran pirscht.
Parallelen zu Krokodilen
Außerdem weisen die Kieferknochen kleine Öffnungen auf, die - ähnlich wie bei modernen Krokodilen - auf Sinnesorgane zur Wahrnehmung von Wasserbewegungen hinweisen. Nicht zuletzt gibt auch sein Gebiss Spinosaurus' aquatische Lebensweise preis: Die langen, kaum gekrümmten Zähne, die vorne an der Schnauze ineinandergriffen, eigneten sich ausgezeichnet, um Haie und andere Fische zu packen, schreiben die Forscher.
Schlussendlich passen diese Befunde auch zu dem, was man über Spinosaurus' Verbreitungsgebiet im heutigen Nordafrika weiß: In der Kreidezeit erstreckte sich in dieser Region ein weitläufiges Flusssystem. (tberg, DER STANDARD, 12.9.2014)