Die Wiener U-Bahn ist bereits zu einer Kriegsfront geworden: Zahlreiche Postings in sozialen Netzwerken junger Musliminnen berichten von gewalttätigen Überfällen und Wortgefechten im öffentlichen Raum. Die TäterInnen sind junge und ältere Männer und Frauen, das Opfer ist wieder einmal die Muslimin - mit Kopftuch, oft mit Kind unterwegs.

Das globale Geschehen rund um die sogenannte IS hat lokal verheerende Folgen für muslimische Frauen. Das erinnert an die Zeiten der 9/11-Anschläge, als die meisten MuslimInnen in Österreich sich für ihre Religionszugehörigkeit rechtfertigen mussten. An Wiener Schulen haben muslimische SchülerInnen im Rahmen von Referaten den "islamischen Fundamentalismus“ erklären und die Biografie Osama Bin Ladens recherchieren müssen.

Heute, 13 Jahre später, greift man mit gewalttätigen Überfällen und desavouierenden Absurditäten im öffentlichen Raum noch weiter. Eine rein mündliche Fundamentalismus-Anklage reicht nicht. Die potenzielle IS-Gefahr, die von Kopftuchträgerinnen ausgehe, müsse selbst beseitigt werden: Die Muslimin wird mal vor der U-Bahn-Türe weggeschubst, mal wird sie beschimpft, geohrfeigt, oder man versucht ihr das Kopftuch vom Haupt zu reißen.

Terrorwut

Der globale Terror, der unter dem Deckmantel des Islam ausgeübt wird, wird vor allem Musliminnen in Europa zum Verhängnis. Immer mehr Menschen fühlen sich in ihren islamophoben Überzeugungen bestätigt. Ihren Frust und die islamfeindliche, rassistische Attitüde laden sie an der muslimischen Frau ab. Diese kann sich ja nicht wehren, versteht womöglich die Beschimpfungen gar nicht, wird gegen die Überfälle nichts unternehmen - ein perfektes Opfer, an dem man die Terrorwut abarbeiten kann.

Was ist aber mit den muslimischen Männern? Denjenigen, die anhand des Aussehens als Muslime identifizierbar sind - langer Bart, kürzere Hose, Gebetskette oder Koran in der Hand? Noch sind keine Übergriffe von ihnen gemeldet worden. Konzentrieren wir uns lieber auf die muslimische Frau, das passive Gewaltobjekt, das nichts anderes kennt als Gewalt. Ein allzu bekanntes und abgedroschenes Klischee. (Medina Velic, derStandard.at, 15.9.2014)