FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ist nach längeren Ibiza-Urlauben wieder in Österreichs Innenpolitik aufgetaucht. Er will gegen Bundeskanzler Werner Faymann vor dem Verfassungsgerichtshof Ministeranklage wegen "Verletzung der Grundsätze des Neutralitätsgesetzes" erheben lassen, weil dieser den EU-Sanktionen gegen Russland zugestimmt hat.

Dazu müsste die FPÖ allerdings zuerst eine parlamentarische Mehrheit zusammenbringen, was eher nicht wahrscheinlich erscheint. Unabhängig davon ist es nicht ganz müßig, darüber zu diskutieren, was die Neutralität heute bedeuten könnte. Die praktische Antwort ist, dass Österreich seine Neutralität schon seit Jahrzehnten neu interpretiert hat.

Der größte Einschnitt war der Beitritt zur EU - der schon im Vorfeld mit der damaligen Sowjetunion unter Michail Gorbatschow abgeklärt worden war. 1991 unterstützte Österreich den von der UN gebilligten Krieg gegen den Irak (Waffennachschub über unser Territorium). In der EU beteiligen wir uns an der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik.

Die normative Kraft des Faktischen hat die Neutralität stark verändert. Das Nicht-EU-Mitglied Schweiz schließt sich übrigens den Sanktionen der EU zwar nicht über die ganze Palette an, hat aber russische Banken auf die schwarze Liste gesetzt und will Sorge tragen, dass über die Schweiz keine "Umgehungsgeschäfte" mit Russland möglich sind. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 11.9.2014)