Wien/Spital/Semmering/Traiskirchen - Die von Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler (SPÖ) aufgebrachte Beschränkung von 150 Flüchtlingen pro Einrichtung wird nicht so bald kommen. Das stellte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Mittwoch klar. Zwar wäre eine derartige Höchstgrenze für sie begrüßenswert, die Forderung aber gerade jetzt angesichts des aktuellen Flüchtlingsstroms zu stellen entbehre nicht einer gewissen Ironie.

Babler hatte seinen Wunsch einer Beschränkung auf 150 Flüchtlinge und ein Prozent der jeweiligen Wohnbevölkerung am Dienstag bei einem Gespräch mit Kanzler Werner Faymann (SPÖ) vorgetragen. Dieser sagte daraufhin zu, den Vorschlag in der Regierung zur Diskussion zu stellen.

1.400 Menschen in Traiskirchen

Die Erstaufnahmestelle für Asylwerber in Traiskirchen ist trotz des eigentlichen Aufnahmestopps wieder ziemlich voll. Laut aktuellen der APA vorliegenden Zahlen befanden sich am Mittwoch 1.391 Flüchtlinge in der Anlage und damit in etwa gleich viele wie vor dem Stopp.

Ausnahmesituation in Ausnahmesituation

Mikl-Leitner zu überzeugen dürfte dabei schwierig sein. Wie die Innenministerin betonte, befinde sich ganz Europa angesichts der dramatischen Lage, in der immer mehr Menschen vor dem IS-Terror auf der Flucht seien, in einer Ausnahmesituation. Daher müsse man über jeden privaten Quartiergeber froh sein, der Unterkünfte anbiete.

Das gelte auch für das neueste Quartier am Semmering, gegen das Kommunal- und Landespolitik Sturm laufen. Sie habe zwar Verständnis für die Sorgen der Bevölkerung, die Annahme des Quartiers sei aber "alternativlos" gewesen. Denn es gehe darum, die Flüchtlinge nicht auf der Straße stehen zu lassen und Zeltstädte wie in Deutschland zu vermeiden. Daher habe man mittlerweile vier neue Bundesquartiere in den Ländern geschaffen.

Mikl-Leitner: Flüchtlingsaufteilung soll Bundessache sein

Überhaupt erklärte Mikl-Leitner an die Landes- und Gemeindepolitik, dass sich jetzt manche vom Prinzip "Helfen ja, aber nicht in meiner Gemeinde" verabschieden müssten. Die Innenministerin bewirbt dabei ihr vor einigen Wochen skizziertes Modell, wonach die Flüchtlingsaufteilung künftig Bundessache sein sollte.

Dabei hätte man keine klassischen Erstaufnahmestellen mehr, sondern es würden die Asylwerber zunächst einfach in jenen Ländern erfasst, wo sie zuerst auftauchen. Ungerechtigkeiten würden sich durch das System nicht ergeben, ist Mikl-Leitner überzeugt. Denn man würde seitens des Bundes dafür sorgen, dass es bei der Aufteilung auf die Länder nach der Erstregistrierung gerecht zugehe.

Das genaue Konzept hierzu werde sie Ende September den Landesflüchtlingsreferenten vorlegen. Bei der Landeshauptleute-Konferenz im November könnten dann weitere Vorschläge eingearbeitet werden.

Kritik an Mikl-Leitner

Nach der Einrichtung des Asyl-Großquartiers am Semmering hat es am Mittwoch durch die Bank Kritik an der Vorgehensweise der Innenministerin gegeben: Der Kärntner SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser reagierte "irritiert und verärgert", die steirischen Grünen kritisierten "Massenquartiere", die Freiheitlichen orteten ein "Diktat".

Der derzeitige Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz sprach von einem Alleingang des Innenministeriums: "Über Nacht und ohne vorherige Verhandlungen mit der steirischen Landes- und betroffenen Kommunalpolitik ein derartiges Quartier zu eröffnen, ist absolut inakzeptabel", meinte Kaiser in einer Aussendung. So über ein Land und seine Bevölkerung "drüber zu fahren", entspreche in keiner Weise einer solidarischen Lösungsfindung. Im Gegenteil: Es schüre Ängste und Sorgen in der einheimischen Bevölkerung.

"Massenquartiere fördern keine menschenwürdigen Bedingungen"

Die steirische Grünen-Landtagsklubobfrau Sabine Jungwirth störte die Anzahl der für den Semmering geplanten Flüchtlinge: "Massenquartiere fördern garantiert nicht das gute Zusammenleben unter menschenwürdigen Bedingungen." Der Syrien-Krieg dauere schon drei Jahre, man habe genug Zeit gehabt, Vorkehrungen zu treffen.

Sie übte auch Kritik am steirischen Soziallandesrat Siegfried Schrittwieser (SPÖ) und meinte, er habe "zwei Gesichter": "Hier in Steinhaus schreit er auf, weil es ein Missverhältnis zwischen dem Anteil der einheimischen Bevölkerung und den Flüchtlingen geben soll. Doch ein paar Kilometer weiter in Mürzsteg passiert das gleiche bereits seit Jahren unter der Deckung seiner zuständigen Abteilung."

FPÖ konstatiert "Wellness für Asylwerber"

FPÖ-Klubchef Hannes Amesbauer stieß sich am "Wellness für Asylwerber", die am Semmering in einem Drei-Sterne-Hotel "residieren" dürften: "Zu allem Überdruss hat Mikl-Leitner erst vor kurzem die Polizeistation in der Gemeinde zugesperrt. Wie nun in der Tourismusgemeinde die Sicherheit gewährleistet werden soll, muss die Innenministerin erst einmal schlüssig erklären."

Negativen Auswirkungen auf Nächtigungszahlen

Tatsächlich setzt die Gemeinde auf den Tourismus, vor allem im Winter mit dem Skigebiet Stuhleck und Zauberberg. Bürgermeister Reinhard Reisinger und Tourismusobmann Hans Hirschegger wiesen auch auf die negativen Auswirkungen auf die Nächtigungszahlen hin: Im Hotel Haus Semmering seien im Vorjahr rund 25.000 Nächtigungen gezählt worden. Laut Reisinger entspreche das einem Anteil von 35 Prozent, der nun wegfalle: "Das ist ein schwerer Schlag für den Tourismus."

Abg. Martina Schenk vom Team Stronach meinte, die Innenministerin habe offensichtlich den Begriff "Zauberberg" falsch verstanden und spielte ebenfalls auf die geschlossene Polizeiinspektion an: "Die Region Semmering wird die nötige Infrastruktur nicht herbeizaubern können." (APA, 10.9.2014)