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Sergio Marchionne hat einen Plan. Und Ferraris Schwäche spielt ihm in die Karten.

Foto: AP/Bela Szandelszky

Luca Cordero di Montezemolo steht vor dem Rückzug - nicht ganz freiwillig. Denn nachdem Fiat-Boss Sergio Marchionne am Sonntag lautstark verkündete, dass niemand bei Ferrari unersetzbar sei, ist das Addio des charismatischen Präsidenten nur mehr eine Frage der Zeit. Er könnte sich also bald der Sanierung der maroden Alitalia widmen.

Montezemolos Verdienst ist es, dass die Marke Ferrari seit seinem Amtsantritt 1991 an Image gewonnen hat. Unter seiner Führung gewann die Scuderia sechs Weltmeistertitel in der Formel 1, fünf mit Champion Michael Schumacher. Der bisher letzte Fahrertitel mit Kimi Räikkönen liegt allerdings schon sieben Jahre zurück.

Für Montezemolo hat Marchionne angesichts der Krise unterm Cavallino rampante schon einen Nachfolger an der Hand. Weder Ross Brawn, der Schumacher einst als Rennleiter führte, noch Andrea Agnelli, den Sohn von Umberto Agnelli und erfolgreicher Präsident des italienischen Fußballmeisters Juventus Turin, sondern sich selbst, Sergio Marchionne, 62 Jahre alt und seit zehn Jahren Aufsichtsratschef bei Fiat. Er könnte Ferrari "amerikanisieren", wie gemutmaßt wird. Denn für Mitte Oktober ist der Börsengang des neuen Fusionskonzerns Fiat-Chrysler in New York geplant. Der Sportwagenhersteller Ferrari, der zu 90 Prozent von Fiat kontrolliert wird, ist ein wichtiges Asset für den Börsengang. Ein Zehntel der Anteile gehören dem Enkelsohn des Firmengründers Enzo Ferrari, Pierro (69).

Montezemolos Sturz war vorauszusehen und hat wenig mit den jüngsten sportlichen Misserfolgen, auch nicht mit dem Desaster von Monza am vergangenen Sonntag zu tun, als Fernando Alonso im Heimrennen ausschied und Räikkönen nur Neunter wurde. Er ist vielmehr der Globalisierung des Konzerns und der Notwendigkeit des Börsengangs geschuldet. Das Image von Ferrari und die Rekordbilanz mit einem für heuer zu erwartenden Gewinn von rund 400 Millionen Euro verleiht der Börsennotierung von Fiat Glanz. Aber Montezemolo hat sich seit jeher für "Made in Italy", für den Standort in der Provinz Modena eingesetzt. Das könnte sich unter Marchionnes Führung rasch ändern.

Der Italo-Kanadier habe die sportlichen Misserfolge von Ferrari als Vorwand für seine Distanzierung von Montezemolo benutzt, mutmaßen die Medien. Schließlich brilliere der Präsident mit seinen Bilanzen, schrieb die Tageszeitung La Repubblica.

Die Auswirkungen des vermutlich millionenschweren Abgangs von Montezemolo - sein Vertrag war erst heuer um drei Jahre verlängert worden - sind noch nicht abzusehen. Muss der 67-jährige Spross eines piemontesischen Adelsgeschlechts nach 23 Jahren als Präsident der Scuderia den Hut nehmen, scheint der Verbleib der Stammpiloten Alonso und Räikkönen keineswegs garantiert. So heißt es zumindest in Ferrari nahestehenden Kreisen. Und die Beschäftigten der Scuderia in Maranello, die bestbezahlten Arbeiter Italiens, sorgen sich nicht nur um ihre freiwilligen betrieblichen Zusatzleistungen, sondern auch um ihre Zukunft in Italien. (Thesy Kness Bastaroli aus Mailand, DER STANDARD, 9.9.2014)