Bild nicht mehr verfügbar.

Kritiker werfen Ungarns Premier Viktor Orbán nach der Razzia bei einer oppositionsnahen Stiftung Einschüchterung der Zivilgesellschaft vor.

Foto: EPA/OLIVER HOSLET

Einen Tag nach der spektakulären Polizeirazzia bei der ungarischen NGO Ökotárs schienen die dahintersteckenden Motive zutage zu treten. Wie das ungarische Internetportal "Atlatzso" (Durchblick) am Dienstag berichtete, soll die Beschlagnahme von Akten und Laptops bei Ökotárs interne und vertrauliche Informationen über 13 regierungskritische Organisationen und Vereine erbringen, die das Amt von Premier Viktor Orbán schon im Mai dieses Jahres als "feindlich" eingestuft hatte.

Die den Grünen nahestehende Stiftung verteilt Gelder, die der norwegische NGO-Fonds Norway Grants in Ungarn an zivilgesellschaftliche Initiativen vergibt.

Martialischer Auftritt

Die Razzia bei Ökotárs und der kleineren Organisation Demnet hatte am Montag bei Ungarns oppositioneller Öffentlichkeit für Kritik gesorgt. Dutzende Bereitschaftspolizisten stürmten unangemeldet die Büros. Beamte des Polizeiermittlungsbüros NNI durchsuchten die Räumlichkeiten und nahmen Akten, Computer und Laptops mit. Es war ein martialischer Auftritt, als ob er Drogen-Baronen oder Mafia-Paten gegolten hätte, war zu hören. Ökotárs-Chefin Veronika Móra wurde von der Polizei abgeführt - nicht in die Haft, sondern um aus ihrer Wohnung einen Laptop zu holen.

Offiziell begründete die Polizei die Maßnahme mit dem Verdacht auf Untreue und illegale Kreditgewährung. Schon früher hatte die Kontrollbehörde Kehi eine Untersuchung gegen Ökotárs und die 13 vom Ministerpräsidentenamt angeprangerten Vereinigungen eingeleitet. Unter diesen sind etwa der Antikorruptionsgruppe K-Monitor, die Bürgerrechtsorganisation Tasz, das Roma-Pressezentrum, die freie Theatergruppe "Krétakör" (Kreidekreis), ein Verein gegen häusliche Gewalt sowie einige Homosexuellen-Initiativen. Sie alle sind Orbán und seinem mächtigen Kanzleramtsminister János Lázár ein Dorn im Auge.

Eine rechtliche Grundlage für die Untersuchung gab es Berichten zufolge nie - die betroffenen Organisationen nutzten keine ungarischen Gelder, sondern solche des norwegischen Staates. Die Kampagne, als deren Ziel Kritiker die Einschüchterung und Kriminalisierung der demokratischen Öffentlichkeit in Ungarn sehen, hatte auch zu schweren diplomatischen Verstimmungen zwischen Budapest und Oslo geführt.

Am Montagabend kamen 500 Demonstranten vor dem Sitz von Ökotárs zusammen, um gegen das Vorgehen der Behörden zu protestieren. Die Bürgerrechtsorganisation Tasz schrieb in einer Stellungnahme: "Das erinnert uns an die jüngsten Attacken gegen die Zivilgesellschaft in Ländern wie Russland und Aserbaidschan, wo autokratische Regierungen solche Anschuldigungen vorschieben, um unabhängige NGOs zu neutralisieren." (Gregor Mayer aus Budapest, DER STANDARD, 10.9.2014)