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Barack Obama schafft es, durch die Kamera mit jedem Einzelnen zu sprechen, Angela Merkel hat das "stimmige Gesamtbild" von Politik und Körpersprache.

Foto: REUTERS/Michael Kappeler

Wien - Offene Arme, ausladende Gesten, ein standhafter Blick. Oft braucht es gar keine Worte, damit eine Botschaft den Adressaten erreicht. Freundlichkeit, Offenheit aber auch Ablehnung oder Nervosität werden vor allem über die Körpersprache vermittelt. In der Politik wird diese Ebene der Kommunikation bewusst eingesetzt, um Wähler zu überzeugen oder ein bestimmtes Image zu vermitteln.

In einer im August erschienenen Studie der Webster Vienna Private University sucht der Psychologe Marc Méhu Anhaltspunkte dafür, wie neben Worten Inhalte vermittelt werden. Die Arbeit zeigt, dass schon subtile Signale den Unterschied zwischen Zustimmung und Ablehnung ausmachen. Um herauszufinden, wie Haltungen nonverbal kommuniziert werden, filterte der Studienautor den Ton von Videoaufzeichnungen politischer Debatten und reduzierte sie auf akustische Signale, damit die Bedeutung des Gesprochenen nicht mehr verständlich war. Nur Stimmlage und Gestik waren wahrzunehmen.

Die Aufnahmen wurden anschließend 80 Studienteilnehmern gezeigt, die die Schweizer Lokalpolitiker und ihre Standpunkte nicht kannten und keine vorgefertigte Meinung zu ihnen haben konnten. Die Probanden schätzten anhand der Filme ein, ob die dargestellten Personen zustimmende oder ablehnende Aussagen machen.

"Es gibt allseits bekannte Bewegungen wie etwa ein Kopfschütteln, das Ablehnung signalisiert", sagt Méhu. Von diesen Gesten wurden in den politischen Diskussionen jedoch nicht ausreichende Beispiele gefunden, um sie zu analysieren. Überwiegende Anhaltspunkte bieten vor allem die Intensität und die Geschwindigkeit vertikal ausgeführter Handbewegungen.

Diese vermittelten den Testpersonen Bestimmtheit und Ablehnung. "Je schneller die Politiker die Arme auf und ab bewegten, umso dominanter oder emotional erregter wirkten sie auf die Studienteilnehmer", sagt Méhu. In einem ersten Schritt wurde den Zusehern nur das Bild gezeigt. Durch die Verbindung mit dem verfremdeten Ton ihrer Aussagen, der keine Inhalte erkennen ließ, wurde die Zustimmung oder die Ablehnung noch deutlicher beurteilt.

Sich schnell ändernde Stimmlagen in Verbindung mit schnellen Bewegungen empfanden die Probanden am stärksten als Ablehnung. Zwar gibt es in der Produktion von Körpersprache keinen Unterschied - Menschen bewegen sich nicht schneller oder langsamer, wenn sie für oder gegen etwas sind -, die "Empfänger nehmen es aber so wahr", meint Méhu.

Ein ähnliches Bild zeichnet die Forschung von Markus Koppensteiner an der Universität Wien: "Dominanz und Extraversion werden durch viele oder ausladende Bewegungen wahrgenommen - das ist anscheinend ein sehr primitives Signal." Der Grund könnte ein physiologischer sein, denn "wenn man etwas expressiv ausdrücken will, macht man Auf-und-ab-Bewegungen. Es ist die energieeffizienteste Methode, sich schnell zu bewegen", meint Koppensteiner.

Strichmännchenforschung

Für seine vom Wissenschaftsfonds FWF finanzierte Studie übertrug Koppensteiner Bewegungen von Politikerreden auf zweidimensionale Strichmännchen: "Daduch fallen alle Einflüsse außer der Körperbewegung weg." Neben der Intensität der Hände fiel auf, dass Personen, die sich ständig bewegen, als unfreundlich empfunden werden. Variationen in der Regung oder bewusstes Innehalten werden freundlicher wahrgenommen.

Wie der Körper am besten kommuniziert, wird an der Donau-Universität Krems gezeigt. "Körpersprache und Aussehen entscheiden darüber, ob und mit welcher positiven oder negativen Emotion wir Politikern zuhören. Der Inhalt des Gesagten ist von geringerer Bedeutung", weiß Peter Filzmaier, Leiter des Lehrgangs Politische Kommunikation. Das bedeute allerdings nicht, dass alle Politiker sich "wie ein Balletttänzer oder eine Modellathletin bewegen oder wie Brad Pitt und Angelina Jolie aussehen müssen". Es gehe vielmehr um das Gesamtbild. Redner müssten hinsichtlich Alter und Typ authentisch sein, die Erwartungshaltung an ihr Amt und das Thema müssen zusammenpassen. "Ein Bundespräsident, der in einer Neujahrsansprache nur der Dynamik willen mit den Armen herumfuchtelt, ist genauso unpassend wie ein Bürgermeister, der am Kirtag wie ein Spazierstock dasteht."

Gut oder schlecht gibt es laut Koppensteiner bei der Körpersprache nicht. Es komme immer darauf an, was man erreichen wolle: "Für Oppositionspolitiker, die die Regierung kritisieren, passen schnelle Bewegungen und ein aggressives Auftreten."

Angela Merkel sei ein gutes Beispiel für ein "stimmiges Gesamtbild". Sie bewegt sich sparsam, teilweise fast hölzern. "Das passt perfekt zu ihrer Strategie der Politikvermittlung, mit der sie Stabilität und sorgsames Überlegen signalisieren will", meint Filzmaier. Barack Obama schaffe es, über den Bildschirm zu vermitteln, er würde "gerade mit dir und nicht bloß in eine Kamera sprechen".

Von der Interpretation einzelner Situationen oder Gesten wie etwa Merkels bekannter Handraute - hält Méhu wenig. Es könnte eine Angewohnheit sein, um nicht mit den Fingern zu spielen. "Personen entwickeln ihre eigenen Posen und Verhaltensweisen, um mit Spannung umzugehen, zielen damit aber nicht auf Kommunikation oder eine spezielle Bedeutung ab", sagt der Psychologe. Um genauere Aussagen über einzelne Handbewegungen abzugeben, sei die Erforschung von Körpersprache zu wenig fortgeschritten.

Bestimmte "Codes" würden in verschiedenen politischen Gruppen oder Kulturen unterschiedlich wahrgenommen. "Es ist also möglich, dass ein Zeichen zwar in einer Partei etwas darstellt, aber diese Signale sind sonst nicht weit genug verbreitet", hält Méhu fest.

Zu kleine Stichprobe

Mit naturwissenschaftlichen Methoden die Bewegungen von Einzelpersonen zu untersuchen, sei "gefährlich" findet Koppensteiner. Die Stichprobe ist zu klein, und die individuelle Komponente spiele dabei eine Rolle: "Wahrscheinlich wird es auch so sehr einer Person zu geschrieben, dass es nur für diese gut ist. Wenn es jemand anderer macht, wäre es nicht mehr authentisch". Die "Merkel-Raute" als individuelles Muster auf andere Redner zu übertragen würde "sicher schiefgehen".

Dass Eindrücke noch vor einer inhaltlichen Debatte geschaffen werden, nutzen Politiker: "Das hat mit Manipulation noch nichts zu tun, da diese Regeln für jeden zwischenmenschlichen Kontakt im Berufs- und Privatleben gelten. Politiker versuchen Tricks zu lernen, um gut auf Wähler zu wirken", sagt Filzmaier.

Ein Händedruck mit beiden Händen etwa soll die Ehrlichkeit unterstreichen. "Mögliche Manipulation beginnt, wenn sich jemand in Wahrheit langweilt oder weniger ehrliche Absichten hat." (Oona Kroisleitner, DER STANDARD, 10.9.2014)