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Dieser Mann besitzt die Gabe der Selbstironie - das drückt sich auch in seinem Kleidungsstil aus.

Foto: apa/epa/Dan Peled

Ihn bringt einfach nichts aus der Fassung. Als der US-Musiker Pharrell Williams diesen Februar neben Markus Lanz in der TV-Unterhaltungsshow "Wetten, dass ...?" auf dem Sofa saß, begrüßte ihn der Moderator in Düsseldorf, um ihm dann folgende Frage zu stellen: Ob er denn überhaupt wisse, wo er sich gerade befinde.

Williams bewies Contenance. "In Düsseldorf, of course!", antwortete er mit einem breiten Lächeln. Wenig später wird ihm bei der Performance seines aktuellen Sommerhits "Happy" ein kleiner Junge, der spontan aus dem Publikum auf die Bühne stürmt und begeistert mittanzt, die Show stehlen. Aber auch das entlockt Williams bloß ein Grinsen, er vermittelt dem Buben das Gefühl, er sei der Superstar. Am Ende verbeugt er sich sogar vor dem Nachwuchstalent.

Wüsste man nicht, dass Pharrell Williams einer der erfolgreichsten Musiker weltweit ist, man könnte glatt glauben, der Mann sei praktizierender Buddhist. Keine Spur von Größenwahn, der im Hip-Hop schon fast zur Serienausstattung gehört. Trotz immensen Arbeitspensums liegen bei ihm die Nerven nie blank. Er ist eine stets gut gelaunte Arbeitsmaschine, fast schon unheimlich, wie professionell der Mann ist.

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Williams mit Ehefrau Helen Lasichanh auf dem Red Carpet anlässlich einer Gala in Los Angeles im März.
Foto: REUTERS/Mario Anzuoni

Im Hintergrund

Pharrell Williams, der jahrelang im Hintergrund stand und Megahits für Stars wie Justin Timberlake ("Rock Your Body"), Snoop Dogg ("Drop It Like It's Hot"), Kelis ("Milkshake") oder Britney Spears ("I'm A Slave 4 U") schrieb, scheint noch immer nicht ganz realisiert zu haben, dass er jetzt der Superstar ist. Mitunter drückt sich das auch in seinem Kleidungsstil aus. Keine Frage, er ist eine Fashion-Ikone, betreibt zwei eigene Streetwear-Labels (Billionaire Boys Club und Icecream, beide 2005 gegründet) und wurde jüngst sogar in die Liste der weltweit bestgekleideten Menschen, die das amerikanische Gesellschaftsmagazin "Vanity Fair" jährlich publiziert, aufgenommen.

Williams gelingt, was die meisten High-Fashion-Labels gerade reichlich verzweifelt anstreben: das Versöhnen von cooler Street- und Sportswear mit exklusiver Mode. "High-low dressing" nennt man das im englischen Sprachraum treffend, und Williams praktiziert das schon seit Jahren sympathisch unangestrengt. Kein Wunder, dass gerade alle bei ihm Schlange stehen, um eine lukrative Kooperation anzudenken.

Mit Adidas Originals ist eine Capsule-Kollektion in Arbeit, für Comme des Garçons ist soeben ein Unisexduft erschienen, der wie sein aktuelles Album "Girl" heißt, und mit der japanischen Kette Uniqlo wurde eine limitierte Edition von T-Shirts auf den Markt gebracht. Spannend ist vor allem seine Zusammenarbeit mit dem Denim-Giganten G-Star RAW: Umweltbewusst wurde Plastikmüll aus den Weltmeeren aufgesammelt und in tragbares Material verwandelt. "Happy Life. Happy Human Beings. Happy Oceans" stand auf einem der Sweatshirts. Williams war bei der Präsentation seiner Jeanskollektion aus Plastikabfall übrigens sehr konsequent: Er weigerte sich, Mineralwasser aus einer Plastikflasche zu trinken.

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Pharrell Williams bei der Präsentation der "Raw for the Oceans"-Frühling-Sommer-Kollektion von G-Star RAW und Bionic auf der New York Fashion Week Anfang September.
Foto: Charles Sykes/Invision/AP

Für die Daunenjackenmarke Moncler entwarf er im Vorjahr riesige futuristische Sonnenbrillen, bereits 2010 designte er eine Männerjacke. Dass man von den vielen Kooperationen nur am Rande mitbekommt, liegt sicher auch daran, dass Kollegen wie Kanye West um einiges lauter sind, wenn es darum geht, sich und ihre Mode zu promoten.

Dabei wirkt Pharrell Williams fast schon uncool überambitioniert, wenn es darum geht, seine Rolle als Werbeträger auszufüllen. Auch darin drückt sich die Unsicherheit eines Neostars aus. Bei "Wetten, dass ...?" trug er brav eine gelbe Adidas-Trainingsjacke, schließlich darf er für das Label gerade etwas designen. Der Mann ist ein Marketingtool wie aus dem Bilderbuch. Und erneut hatte er den Buffalo-Hut von Vivienne Westwood auf, der mittlerweile schon fast ein Markenzeichen von ihm geworden ist.

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In gelber Jacke und mit Buffalo-Hut bei "Wetten, dass...?".
Foto: APA/EPA/Becker

Das ist insofern ungewöhnlich, als dies eigentlich die Marketingstrategie von Newcomern im Musikbusiness ist: Sie versuchen sich stets gleich zu kleiden, damit ein Wiedererkennungswert entsteht, damit man sie nicht vergisst oder mit anderen Aufsteigern verwechselt. Fraglich, ob Williams das wirklich nötig hat, als der Mann mit dem Hut in die Musikgeschichte einzugehen.

Wobei er in der Wahl seiner Kopfbedeckung, die er bereits 2009 in der Londoner Westwood-Boutique für 95 Pfund erstanden hatte, durchaus eigenwilliges Modebewusstsein bewiesen hat. Der Hut entstand, als Westwood mit Trendsetter Malcolm McLaren zusammenarbeitete. In der H/W-Kollektion 1982/83 tauchte die Oversized-Kopfbedeckung erstmals auf, Westwood sagte, sie hätte sich von peruanischen Frauen inspirieren lassen. Ihre Models tanzten damals lebensfroh über den Laufsteg.

Ein Feminist?

Ist Pharrell Williams eigentlich ein Feminist? Zumindest wird er nicht müde, Frauen als Zentrum der Menschheit zu feiern und gleiches Gehalt für gleiche Leistung zu fordern. Insofern hebt er sich angenehm von vielen seiner diesbezüglich eher stumpfen Musikerkollegen ab. Allerdings: In seinen Videos tanzen "Girls" genauso dümmlich durch die Gegend wie bei weniger aufklärerisch angehauchten Sängern. In seinem Modeverständnis ist Williams' Anspruch, gängige Geschlechterbilder aufzubrechen, um einiges innovativer.

Er grenzte sich schon früh sympathisch selbstbewusst vom gängigen Hip-Hop-Macho-Kleidungsstil ab. Er trug einen Samtblazer mit auffälligem Blumenmuster, als die meisten Männer noch auf dezentes Schwarz setzten. Oder er und seine Ehefrau Helen Lasichanh tauchten beide jeweils in einem Smoking auf. Bei der heurigen Oscar-Gala überraschte Williams mit einem schwarzen Anzug von Lanvin, der zum klassischen Sakko, inklusive weißen Hemds mit Fliege, kurze Hosen kombinierte. Dazu trug er Lackschuhe ohne Socken, man konnte also seine Wadentattoos bestens sehen. Ein gutes Beispiel dafür, wie er klassischen Stil modern auflädt und gekonnt bricht.

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Kurze Hose und Fliege: Mit Helen Lasichanh bei der Oscar-Verleihung.
Foto: apa/epa/buck

Das Wichtigste an Pharrell Williams' Modeverständnis aber ist: Er brachte Spaß in die versnobte Fashionwelt, und zwar noch bevor Jeremy Scott, der Paradiesvogel unter den Designern, die Models von Moschino wie McDonald's-Verkäuferinnen aussehen ließ und mit SpongeBob-Taschen ausstattete.

Apropos SpongeBob: Williams trägt schon seit Jahren Socken mit dem frechen Schwamm. Er ließ sich extra ein Paar aus Kaschmir anfertigen. Außerdem gestand er: "Ich trage daheim immer Mickey-Mouse-Pantoffeln. Deine Garderobe ist eine Verlängerung der Persönlichkeit."

"Wenn du im Leben nicht exzentrisch bist, warum solltest du es in deinem Kleidungsstil sein?", erklärt der Musiker durchaus reflektiert. Keine Frage, von seinem Modestil her zu schließen: Pharrell Williams besitzt die Gabe der Selbstironie. (Karin Cerny, Rondo, DER STANDARD, 12.9.2014)