Freetown/Conakry/Lagos - In Liberia ist nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in den kommenden drei Wochen mit tausenden neuen Ebola-Fällen zu rechnen. Die Zahl der Infizierten steige "exponentiell" an, warnte die WHO am Montag in Genf und forderte eine deutliche Aufstockung der Hilfen. Die Ansteckung eines weiteren WHO-Arztes mit dem Virus zeigte erneut die Gefahren für die Helfer.

Die Hilfen für das bereits jetzt am stärksten von der Epidemie betroffene Liberia müssten um das Drei- bis Vierfache aufgestockt werden, erklärte die WHO. So verfüge das Land etwa nicht über genügend Krankenhausbetten, weshalb Erkrankte zu Hause blieben und weitere Menschen ansteckten. In Liberias Hauptstadt Monrovia irrten ganze Familien in Taxis umher, "auf der Suche nach einem Krankenhausbett". Es gebe aber keine. "Unsere Mitarbeiter in Liberia bestätigen, dass es im ganzen Land keine freien Betten für die Ebola-Behandlung gibt."

Die WHO kündigte an, sie werde "die Welt in die Pflicht nehmen, auf diese schreckliche Notlage mit ihren nie dagewesenen Dimensionen menschlichen Leidens zu reagieren". Insgesamt sind an der Ebola-Epidemie in Westafrika bereits mehr als 2.000 Menschen gestorben, knapp 4.000 haben sich infiziert. Die am stärksten von der Krankheit betroffenen Länder Liberia, Guinea und Sierra Leone zählen zu den ärmsten Staaten der Welt und haben nur unzureichende Gesundheitssysteme.

"Jede Infektion eines Arztes verringert Reaktionsfähigkeit"

In Liberia gibt es lediglich einen Arzt für rund 100.000 Patienten. Zugleich infizieren sich immer mehr medizinische Helfer selbst - laut WHO bisher 152, von denen 79 starben. "Jede Infektion, jeder Tod eines Arztes oder einer Krankenschwester verringert die Reaktionsfähigkeit deutlich", warnte die Weltgesundheitsorganisation.

Auch in Sierra Leone infizierte sich erneut ein für die WHO tätiger Arzt mit Ebola. Sein Gesundheitszustand sei stabil, teilte die WHO am Montag mit. Der Mann, dessen Nationalität zunächst nicht bekannt gegeben wurde, werde in Kürze außer Landes gebracht. Ende August hatte sich ein aus dem Senegal stammender WHO-Arzt in Sierra Leone mit dem Virus angesteckt. Er wird derzeit in Hamburg behandelt. Sein Zustand ist nach WHO-Angaben ebenfalls stabil.

Ein weiterer Ebola-Patient wird unterdessen in den USA erwartet. Er werde im Laufe des Dienstags eintreffen und dann auf einer Isolierstation versorgt, teilte die Universitätsklinik Emory in Atlanta im US-Bundesstaat Georgia mit. Ein US-Arzt und eine Krankenschwester, die in dem Krankenhaus wegen Ebola behandelt wurden, haben sich inzwischen von der Infektion erholt.

In Italien meldeten die Behörden einen Verdachtsfall: Eine Nigerianerin weise nach einem Besuch in ihrer Heimat Symptome der Krankheit auf. Sie sollte in einem Krankenhaus in Ancona behandelt werden.

Das Pentagon in Washington kündigte die Entsendung eines Feldlazaretts mit 25 Betten nach Liberia an, Großbritannien die Einrichtung eines medizinischen Zentrums in Sierra Leone, das mit 62 Betten ausgestattet werden soll. Zwölf der Betten seien für medizinische Helfer gedacht. Die EU-Kommission kündigte am Dienstag die Unterstützung einer neuen Anti-Ebola-Mission der Afrikanischen Union mit fünf Millionen Euro an.

EU-Unterstützung

Angesichts der Lage unterstützt die EU die Afrikanische Union (AU) in ihrem Kampf gegen Ebola mit fünf Millionen Euro. Das Geld soll einer neuen AU-Mission zur Eindämmung der Epidemie zugutekommen, wie die EU-Kommission am Dienstag in Brüssel mitteilte. Zwei Millionen Euro davon gehörten zu einem schon vergangene Woche angekündigten Paket von Hilfszahlungen für Afrika.

Die Mission mit der Abkürzung ASEOWA soll mindestens hundert Mitarbeiter stark sein, ihr Hauptquartier in Liberia aufschlagen und sechs Monate dauern, teilte die Kommission mit. ASEOWA setze neben medizinischer Hilfe unter anderem auf die Beratung lokaler Behörden beim Kampf gegen die Seuche. Insgesamt hat die EU nach eigenen Angaben seit Beginn der Krise den betroffenen Länder mit knapp 150 Millionen Euro sowie mit Experten geholfen.

Zusätzlich hilft Österreich im Rahmen der im August von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) ankündigten Ebola-Hilfe mit 200.000 Euro. Es wird ein Präventionsprogramm von World Vision in Sierra Leone gefördert. Damit sollen 2.700 Krankenschwestern, Pfleger und Gemeindebedienstete ausgebildet werden, sagte Kurz. Das Geld wird von der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung gestellt.

Bisher starben laut WHO in Liberia 1.089 Menschen an Ebola - mehr als die Hälfte der insgesamt in diesem Land sowie in Guinea, Sierra Leone und Nigeria registrierten Ebola-Todesfälle. (APA/red, derStandard.at, 8./9.9.2014)