Unverhofftes Gruppenfoto für österreichische Touristen mit Sebastian Kurz in Eriwan.

Foto: STANDARD/Kirchengast

Für eine Gruppe österreichischer Touristen war es sicher das Erlebnis ihrer Armenienreise: Beim Mahnmal für den Genozid von 1915 in Eriwan trafen sie am Montag zufällig Außenminister Sebastian Kurz. Ein Gruppenfoto mit dem Chefdiplomaten war natürlich Pflicht. Kurz selbst goss im Park des Memorials eine Silberfichte, die Vorgänger und Mentor Michael Spindelegger 2010 gepflanzt hatte und die inzwischen schon beträchtlich gewachsen ist - eine hübsche Allegorie.

Sie passt auch für den Hintergrund der mehrtägigen Südkaukasusreise, die auch nach Georgien und Aserbaidschan führt. Für Österreich geht es um den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen und um die Bekräftigung des entwicklungspolitischen Engagements (Georgien und Armenien sind Schwerpunktländer). Darüber hinaus aber ist Kurz auch in einer EU-Mission unterwegs. Wegen der Ukraine-Krise werden die Stimmen lauter, die eine Adaption der Östlichen Partnerschaft fordern.

Diese Partnerschaft neu zu definieren werde eine Herausforderung für die neue EU-Kommission sein, sagte Kurz im Gespräch mit Journalisten. Er habe seine Reise mit EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton denn auch abgestimmt. Bisher habe man die Partnerländer vor die Wahl zwischen der EU oder Russland gestellt. Das werde der wirtschaftlichen Situation dieser Länder in ihren historischen Beziehungen zu Russland nicht gerecht. Statt des Entweder-oder müsse es langfristig zu einem Sowohl-als-auch kommen, etwa mit einer Freihandelszone.

Die Situation Armeniens ist bezeichnend. Das Land hat im September 2013 seinen Beitritt zu der von Wladimir Putin initiierten Eurasischen Zollunion angekündigt und damit das fast fertige Assoziierungsabkommen mit der EU de facto platzen lassen - "nicht ganz freiwillig", wie Kurz anmerkte. Eriwan habe "Europa im Blick und Putin im Nacken" gehabt.

In einer Pressekonferenz mit seinem armenischen Amtskollegen Eduard Nalbandian sagte Kurz, die Situation verlange "ein Stück weit Beweglichkeit" von der EU, um die Zusammenarbeit fortsetzen zu können. Nalbandian kündigte baldige Ergebnisse der Verhandlungen über den Beitritt zur Eurasischen Zollunion an. Die Frage, ob das EU-Assoziierungsabkommen endgültig gestorben sei, wollte er nicht konkret beantworten und verwies auf einen Briefwechsel mit Ashton.

Protest gegen Einreiseverbot

Die Lage der Menschenrechte wird ein brisantes Thema beim abschließenden Besuch von Kurz in Aserbaidschan sein: Die Regierung in Baku hatte der Redakteurin der Presse wegen kritischer Berichterstattung über die jüngste Repression gegen Bürgerrechtsaktivisten die Einreise verweigert. Interventionen des Außenamts blieben erfolglos.

Kurz will das Thema in Baku beim Außenminister erneut ansprechen. Die Sache ist "pikant": Aserbaidschan hat derzeit den Vorsitz im Europarat inne. (Josef Kirchengast aus Eriwan, DER STANDARD, 9.9.2014)