Nervenaufreibendes Treiben im Bergdorf: Lucio Fulcis "Don't Torture a Duckling".

Foto: Filmmuseum

Wien - Die erste Pointe steckt schon im Titel: Land of the Dead. Horrorfilme 1968-1987. Die große Filmschau, die bis Mitte Oktober die Moderne des internationalen fantastischen Kinos im Österreichischen Filmmuseum präsentiert, enthält zwar Night of the Living Dead und Dawn of the Dead, die beiden ersten Filme der berühmten Zombieerzählung George Romeros; der vierte und politisch vielleicht radikalste Teil des Epos aber leiht dem Programm zwar seinen Namen, kann aber selbst nicht mehr vorkommen:

Romeros Land of the Dead entstand erst 2005, also lange nach dem selbstgewählten Schlusspunkt der Auswahl. Den begründet der Einführungstext mit der Postmoderne, die sich ab den späten 1980ern verstärkt im Genre breitmache; und die, so könnte man den Gedanken weiterspinnen, das Horrorkino erst recht in ein "Land of the Dead" transformiert hat, weil man in Filmen wie Scream oder Scary Movie die zu wandelnden Zitaten degradierten Lebenden gar nicht mehr von den Toten unterscheiden kann.

Die Reihe schließt unmittelbar an das Programm zum klassischen Horrorkino an, das vergangenen Herbst unter dem Titel Carnival of Souls zu sehen war. In dieser ersten Geschichte des Horrorfilms konnte man unter anderem nachvollziehen, wie das Genre von den 1920er- bis in die 1960er-Jahre die Grenzen des Sicht- und Zeigbaren in der ständigen Auseinandersetzung mit der Zensur immer weiter ausdehnt. Der Horrorfilm der Moderne hat diesen Kampf (weitgehend) gewonnen - und darf nun ausprobieren, was mit diesen neuen Freiheiten möglich ist; und was dann doch wieder nicht.

Erschüttert, gezähmt

Für gewöhnlich wird die Geschichte dieses modernen Horrorfilms als eine der Desillusionierung erzählt: Ein paar Jahre lang kann insbesondere der US-Horrorfilm (fast) mitten im Mainstream die Grundfeste der US-Gesellschaft attackieren: die Familie (Texas Chainsaw Massacre), die Religion (Carrie), den Kapitalismus (Dawn of the Dead). Anschließend wird er von der Industrie gezähmt, in konservative bis offen reaktionäre, frauenfeindliche Bahnen wie die des formelhaften Slasherfilms gelenkt. Die Reihe im ÖFM widerspricht dieser Erzählung nicht - eine Rehabilitation der Slasherwelle der 1980er steht weiterhin aus -, aber sie verkompliziert sie. Zum Beispiel, indem sie den Horrorfilm als ein internationales Phänomen betrachtet.

Dass das Horrorkino in den 1970ern nicht nur in den USA eine subversive Wendung genommen hat, zeigt etwa Lucio Fulcis nervenaufreibender Don't Torture a Duckling: In einem Bergdorf werden mehrere Jungen tot aufgefunden. Die Verdächtigungen richten sich zunächst gegen die Außenseiter: Der Dorftrottel wird um ein Haar gelyncht, der lokalen Kräuterhexe ergeht es nicht besser. Tatsächlich hat das Verbrechen seinen Ursprung im Zentrum der Dorfgemeinschaft, und dem Täter kommen zwei Außenseiter auf die Spur: ein Reporter (Tomas Milian) und ein "leichtes Mädchen" (Barbara Bouchet), das die Dorfjugend auf dumme Gedanken bringt.

Fulcis anarchische Wucht kristallisiert sich gleich in einer der ersten Szenen: Bouchet bietet sich nackt den Blicken eines Teeniejungen dar, der mit ihren Avancen nicht klarkommt und verwirrt das Weite sucht. Ein Film über eine Welt, der alle Sicherheiten abhandengekommen sind und die den Blick selbst destabilisiert.

Daneben finden sich eine Reihe von Außenseiterpositionen, die ebenfalls geeignet sind, (film)kulturpessimistische Resümees zu relativieren. Eine der größten Entdeckungen ist When a Stranger Calls. Dessen Ausgangssituation wirkt erst reichlich konventionell: Ein Psychopath terrorisiert Frauen telefonisch und schleicht sich anschließend in ihre Häuser ein.

Regisseur Fred Walton verwandelt diese Prämisse in einen poetischen, bis in die Strophenform wie ein Gedicht strukturierten Film, der über Entwurzelungen spricht: Es geht um Menschen, die in der Großstadt verlorenzugehen drohen; und die von Stimmen heimgesucht werden, die sich von den Körpern losgelöst haben. (Lukas Förster, DER STANDARD, 9.9.2014)