Die Frist, in der Stellungnahmen zum Entwurf des kürzlich beschlossenen Strafprozessrechtsänderungsgesetzes - der eindeutig bedeutendsten und umfangreichsten Novelle der StPO, seit vor zehn Jahren die Vorverfahrensreform beschlossen worden war -, abgegeben werden durften, betrug ganze sechzehn (16) Tage. Für eine Novelle, mit der das Mandatsverfahren wiedereingeführt, strafrechtlichen Ermittlungen eine grundsätzliche Höchstdauer von drei Jahren gesetzt, oder die umstrittene Bestellung von Sachverständigen neu geregelt wurde. Daneben wurde erstmals eine rechtliche Basis für die Medienarbeit im Ermittlungsverfahren geschaffen, der Beschuldigtenbegriff ausdifferenziert und der zweite Berufsrichter für größere Schöffenverfahren wiedereingesetzt. Alles in allem eine große Reform von wichtigen Teilen der StPO, die man vor Beschlussfassung ausführlich und wiederholt diskutieren sollte, um am Ende zum bestmöglichen Ergebnis zu kommen. Da weder die Begutachtungsfrist von sechs Wochen gewährt wurde noch im Justizausschuss des Nationalrates die Vertreter der Rechtsanwälte, Richter und Staatsanwälte angehört wurden, gab es keinen ausreichenden Dialog zwischen Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit.

Noch in den Neunzigerjahren wurden regelmäßig alle betroffenen Berufsgruppen vor größeren Reformvorhaben zu Gesprächen eingeladen. Ideen wurden in unterschiedlicher Zusammensetzung diskutiert und Standesvertreter konnten ihre Vorschläge im Justizausschuss vortragen und Bedenken gegen einzelne Änderungen mit Argumenten untermauern. Heute haben die Hetzjagd nach Schlagzeilen und die Kurzlebigkeit des politischen Diskurses zur Rechtspolitik das in Vergessenheit geraten lassen. Die Speed-kills-Ideologen haben den Weg für jene geebnet, die im Zweifel keine Zweifel aufkommen lassen wollen. All das ist dem Vertrauen in Rechtsstaat und parlamentarische Demokratie abträglich.

Die Standesvertreter sind jederzeit bereit, unsere Nationalratsabgeordneten über die Vorstellungen der Praxis zu informieren und der Entscheidungsfindung im Parlament die Erfahrungen der Rechtsanwender als eine weitere Grundlage anzubieten. Vor allem fordern wir ein Ende der Hetzerei nach Gesetzesnovellen: Bedeutende Änderungen müssen nicht zum nächstmöglichen Zeitpunkt in Kraft treten, wenn sie davor nicht gründlich durchdacht werden können. Lieber später, dafür aber besser. Im Interesse unserer Gesellschaft. (Werner Zinkl, DER STANDARD, 8.9.2014)