Bild nicht mehr verfügbar.

Der Ausbruch des chilenischen Vulkans Puyehue im Juni 2011 war ein gewaltiges Schauspiel. Magma-Plumes sorgen nicht nur für Vulkaneruptionen, sondern können auch Kontinente brechen lassen.

Foto: REUTERS/Carlos Gutierrez

Steigt Magma aus dem Erdinneren auf, dann sorgt die Gesteinsschmelze nicht nur an den Rändern der tektonischen Platten für die Entstehung von Vulkanen. Einem internationalen Forscherteam ist nun mit Hilfe einer bisher unerreicht hochaufgelösten Simulation der Nachweis gelungen, dass solche sogenannten Mantel-Plumes auch Kontinente bersten lassen können - allerdings nur dann, wenn die Haut der Erde schon gespannt ist.

An einigen Stellen der Erde steigt von der Grenzschicht des Erdkerns und des inneren Erdmantels über hunderte von Kilometern Material säulenartig bis unter die Erdkruste auf. Durch den Widerstand der harten Kruste gebremst, breitet sich der Materialstrom seitlich aus und nimmt die Form eines Pilzes an. Mantel-Plumes oder kurz Plumes nennen Fachleute solche Magmasäulen.

Geologen vermuten, dass Plumes nicht nur Vulkane außerhalb tektonisch aktiver Zonen erzeugen, sondern Kontinente zerbrechen können. Als Beispiel dafür führen Wissenschafter die Danakil-Depression, ein Tiefland im Länderdreieck Äthiopien, Eritrea und Djibouti, an. Diese als "Triple Junction" bekannte Stelle ist tektonisch und vulkanisch äußerst aktiv. Geologen nehmen an, dass darunter der sogenannte Afar-Plume aufsteigt. Durch seine Einwirkung bildete sich ein Grabensystem, das sich hier in das Rote Meer, den Golf von Aden und den Afrikanischen Grabenbruch gabelt. Doch weil dieser Vorgang geologisch lange Zeiträume dauerte, kann niemand mit letzter Sicherheit die Hypothese von der Kontinenten brechenden Kraft eines Plumes bestätigen oder verwerfen.

Neues hochaufgelöstes Computermodell

Mit einem neuen Computermodell kommen nun Evgueni Burov von der Universität Paris VI und Taras Gerya, Geophysiker an der ETH Zürich, diesem geologischen Rätsel näher. Die Arbeit wurde soeben in "Nature" veröffentlicht. Die beiden Forscher führten numerische Experimente durch, um die Erdoberfläche oberhalb eines Plumes dreidimensional und hochaufgelöst darzustellen.

Das Resultat dieser Simulationen ist, dass die aufsteigenden Materialströme die Kraft dazu haben, Kontinente zu zerbrechen, sofern die tektonische Platte unter Spannung steht. "Die Kraft, welche ein Plume auf eine Platte ausübt, sind eigentlich zu klein, um sie zu zerteilen", sagt Gerya. In Experimenten mit einfachen Modellen ließen die Forscher Plumes auf eine entspannte Platte treffen, was nicht zu ihrem Bruch führte. Es bildete sich lediglich ein kreisrunder Hügel. Modellierten die Geophysiker jedoch den gleichen Vorgang mit einer Platte, die unter schwacher Spannung stand, so brach sie auseinander und es bildeten sich ein Riss- und Grabensystem wie es auch in natura anzutreffen ist.

"Der Vorgang ist vergleichbar mit einer gespannten Plastikrolle. Eine kleine punktförmige Kraft reicht und die Folie reißt ein. Ist die Folie hingegen entspannt, kann man sie kaum einreißen." Dieser Mechanismus sei schon früher als mögliches Erklärungsmodell für das Auseinanderbrechen von Kontinenten vorgeschlagen worden, habe aber bisher nicht plausibel erklärt werden können.

"Wir sind die ersten, die die Wechselwirkung eines Plumes mit einer Platte unter Spannung in solch hoher Auflösung modellieren konnten", sagt Gerya weiter. Um die Simulationen durchzuführen, seien schnelle starke Rechner und stabile Algorithmen, welche sie selbst programmierten, nötig. Dabei profitierten die Wissenschafter vom technischen Fortschritt, aber auch von der Erfahrung, die der ETH-Professor in den vergangenen 10 Jahren auf diesem Gebiet gesammelt hat.

50 Mal schneller als die Alpenfaltung

Im Modell entstehen die Deformationen in einem – für geologische Verhältnisse – hohen Tempo. Nach "nur" zwei Millionen Jahren können sich Grabensysteme von mehreren Kilometern Tiefe und mehr als tausend Kilometer Länge bilden. Die Vorgänge sind damit bis zu 10 Mal schneller als tektonische Prozesse wie Subduktion und 50 Mal schneller als beispielsweise die Alpenfaltung.

Die Idee der Mantel-Plumes ist indes nicht unumstritten. Einige Forscher bezweifeln gar deren Existenz. "Ich halte es für eher unwahrscheinlich, dass es sie nicht gibt", sagt dazu Gerya. Wie so oft in der Geologie, insbesondere aber bei der Erforschung des Innenlebens der Erde, lassen sich weder solche Vorgänge noch die Existenz der Plumes direkt beobachten. Auch entziehen sich die langen Zeiträume, in denen sich geologische Prozesse abspielen, der Alltagserfahrung des Menschen. "Das einzige, was wir beobachten können, sind die Auswirkungen, welche die Plumes auf die Erdoberfläche und auf das Vorankommen von seismischen Wellen im Erdinnern haben."

Deshalb sei man auf gute realistische Modelle angewiesen, welche die Prozesse im Zeitraffer durchspielen. Wie realistisch die errechneten Darstellungen sind, hängt von den verwendeten Parametern ab. In das Modell der Plume-Kontinentalplatte-Wechselwirkung eingeflossen sind beispielsweise physikalische Gesetze, Materialeigenschaften der Erdkruste wie auch Temperatur- und Druckverhältnisse. "Die Spielregeln sind uns klar. In der Regel besitzt der Mensch aber nicht genug Intuition, um zu erkennen, wie diese miteinander wechselwirken." (red, derStandard.at, 07.09.2014)