Dass die Europäische Zentralbank durch ihre Geldschwemme nicht allein die Wirtschaft der Eurozone wieder in Gang bringen kann, das wissen Notenbanker genauso gut wie Ökonomen. Sie alle fordern daher immer dringender Strukturreformen in den verschiedenen Ländern ein, vor allem in Südeuropa, aber auch in Österreich.

Dabei geht es in erster Linie um Erleichterungen bei Firmengründungen, auch von Einpersonenunternehmen (EPUs), und eine Abschaffung von jenen regulativen und gesetzlichen Hürden, die den Wettbewerb in Produkt- und Dienstleistungsmärkten behindern. Es geht um all jene gesetzlich geschützten Monopole und Kartelle, die dafür sorgen, dass Preise hoch bleiben und weniger Jobs geschaffen werden.

Streng regulierte Taxibranche

Ein Paradebeispiel dafür ist die Taxibranche, die in jedem Land streng reguliert ist. Eine Dienstleistung, die eigentlich jeder Autobesitzer mit Führerschein und etwas Fahrerfahrung erbringen könnte, ist einem beschränkten Kreis von Anbietern vorbehalten.

Das hat ganz unterschiedliche Konsequenzen. In Rom oder Mailand gibt es viel zu wenige Taxis. Sie zu ergattern ist oft ein Glücksfall, und die Lizenzen werden um hohe Summen gehandelt, weshalb jeder Versuch, mehr Taxis auf die Straße zu bringen, massive Proteste auslöst.

In deutschen Städten ist es schwierig, rasch per Funk ein Taxi zu bestellen. Das klappt in Wien ganz wunderbar – dank eines mächtigen Duopols der Funkzentralen. Hier gibt es auch genügend Taxis, weil vor bereits 20 Jahren die Lizenzbeschränkungen aufgehoben wurden – oft sogar zu viele. Dafür sind die Preise eher hoch, wohl auch um die langen Stehzeiten auszugleichen.

Vor allem der Flughafen-Transfer in einem regulären Taxi ist ein ständiges Ärgernis. Der Aufpreis für die eigentlich recht kurze Fahrt ist eine Konsequenz des Monopols der niederösterreichischen Taxis in Schwechat.

Uber würde vieles ändern

All das würden die Fahrdienst-App Uber oder andere neue Online-Taxivermittler ändern. Sie erlauben es, Miet- oder sogar Privatautos innerhalb von Minuten an einen Ort zu bestellen und den Preis zur Destination zu fixieren.

Die neue Technologie sollte, wenn flächendeckend angewandt, zu niedrigeren Preisen und besser ausgelasteten Wagen führen. Viele Städte könnten mit weniger Taxis auskommen und dennoch schnellere Verbindungen bieten. Das wäre ein echter volkswirtschaftlicher Produktivitätsgewinn, der sich mittelfristig in höherem Wachstum niederschlägt.

Doch dagegen wehren sich die Taxiinnungen in allen Ländern, und sie erhalten Unterstützung von Behörden und Gerichten. Der Unmut ist leicht verständlich: Eine ganze Branche ist in Gefahr, und die ohnehin schlecht bezahlten Fahrer müssen fürchten, am Ende noch weniger zu verdienen.

Navis sorgen für Ortskenntnis

Aber für die breite Bevölkerung bringen Uber & Co vor allem Vorteile. Die Angst vor Fahrern ohne Ortskenntnis ist in Zeiten von hervorragenden Navigationssystemen unangebracht. Und die Qualität des Service wird durch ein Ratingsystem besser gesichert als durch die Standards irgendeiner Innung.

Uber ist kein sympathisches Unternehmen, und man hätte sich gewünscht, dass ein europäischer Anbieter diese Dienstleistung erbringt. Dass er aus den USA kommt, ist allerdings kein Zufall: Die gesetzlichen Schranken eines geschützten Gewerbes zu durchbrechen ist für Start-ups ein hochriskantes Unterfangen. Nur ein Riese wie Uber kann sich die Strafzahlungen von 250.000 Euro am Tag leisten, die nun in Deutschland erhoben werden.

Disruptive Technology

Taxi-Apps sind eine typische „disruptive technology“, die zunächst Unternehmen in den Ruin führt und sogar Arbeitsplätze kostet. Aber am Ende steht – so wie einst beim Automobil selbst – fast immer ein besserer Service zu niedrigeren Preisen. Und das ist nach Meinung der meisten Ökonomen der Schlüssel für mehr Wachstum in Europa.

Es muss sichergestellt sein, dass Uber-Wagen Mindeststandards erfüllen und keine unfairen Vorteile gegenüber Taxis erhalten. Aber wenn Staaten und Städte die neuen Anbieter blockieren, dann schaden sie sich selbst – und tragen dazu bei, dass Europa keinen Weg aus der Krise findet. (Eric Frey, derStandard.at, 6.9.2014)