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Jimmie Akesson von den ausländerfeindlichen Schwedendemokraten hat gute Chancen auf ein deutliches Stimmenplus.

Foto: EPA/JANERIK HENRIKSSON

Rund eineinhalb Wochen vor den Parlamentswahlen am 14. September sieht es schlecht aus für den schwedischen Ministerpräsidenten Fredrik Reinfeldt. Seine konservativ-liberale Koalition, die "Allianz", liegt in den Umfragen (siehe Grafik) mit rund 39 Prozent der Stimmen deutlich hinter der Opposition aus Sozialdemokraten, Grünen und Linkspartei (rund 47 Prozent). Doch der Vorsitzende der Konservativen gibt sich gelassen: "Schweden braucht weiterhin eine Allianzregierung, die Jobs schafft und die Wirtschaft in Ordnung hält."

Gerade mit ihrer Wirtschaftspolitik hat die Koalition aus Konservativen, Liberalen, Christdemokraten und dem landwirtschaftsnahen Zentrum, die seit acht Jahren an der Macht ist, bei den vergangenen Wahlen punkten können. Unter dem Motto „Arbeiten muss sich lohnen“ senkte die „Allianz“ die Einkommenssteuer drastisch. Auch privatisierte sie Schulen, Arztpraxen und Altersheime.

250.000 neue Arbeitsplätze entstanden, und Schweden kam relativ unbeschadet durch Finanz- und Eurokrise. Gleichzeitig kürzte die Koalition jedoch Arbeitslosen- und Krankengeld massiv - und das, während die Arbeitslosigkeit auf rund acht Prozent anstieg.

"Unterschiede nehmen zu"

Die linke Opposition wirft der Regierung Reinfeldt vor, an den Grundfesten der egalitären schwedischen Gesellschaft gerüttelt zu haben. "Die Unterschiede im ganzen Land nehmen zu", kritisiert Stefan Löfven, Vorsitzender der Sozialdemokraten und Reinfeldts Opponent im Kampf um den Posten des Ministerpräsidenten.

Die Kritik trifft einen Nerv bei der Wählerschaft. "Ein Grund für den Stimmenrückgang der Konservativen ist, dass Wirtschaftsfragen in diesem Wahlkampf nicht so hoch im Kurs stehen", erklärt Henrik Ekengren Oscarsson, Politikwissenschaftler an der Universität Göteborg. Für die Wähler sind laut Umfragen Schule und Gesundheit die wichtigsten Themen - und diese bedient die linke Opposition. So versprechen Sozialdemokraten und Grüne höhere Lehrergehälter sowie mehr Studien-, Krankenhaus- und Pflegeplätze - finanziert unter anderem durch eine neue Bankensteuer. Die Linkspartei setzt auf das Totalverbot von Gewinnen im Wohlfahrtssektor.

Reinfeldt versucht zu kontern. Mit einem Appell an die Schweden, "die Herzen zu öffnen für alle, die aus Angst um ihr Leben zu uns fliehen", hob er überraschend die auch unter seiner Regierung liberale Flüchtlingspolitik aufs Tapet. Gleichzeitig warnte er aber davor, dass aufgrund der Flüchtlinge kurzfristig erhebliche Kosten auf die "humanitäre Großmacht" Schweden zukämen, die keinen Spielraum für teure Wahlversprechen ließen.

Angriff und Gegenangriff

Diesen Seitenhieb auf die linke Opposition konterte Löfven als "höchst unwürdig". Schweden, so sagte der Sozialdemokrat, könne sich trotz vieler Flüchtlinge durchaus einen Ausbau des Sozialstaates leisten.

Die einwanderungsfeindlichen Schwedendemokraten hingegen begrüßten Reinfeldts Worte als "unvorhergesehenes Weihnachtsgeschenk". Parteichef Jimmie Åkesson twitterte kürzlich zu dem Thema: "Der Ministerpräsident hat es bestätigt: Sozialstaat oder Masseneinwanderung. Sie haben am 14. September die Wahl."

Weder Reinfeldt noch Löfven wollen mit den rassistisch angehauchten Nationalisten, die in den Umfragen derzeit bei rund zehn Prozent der Stimmen liegen, zusammenarbeiten. Doch es gilt als durchaus wahrscheinlich, dass die linke Opposition trotz ihres jetzigen Vorsprungs eine eigene Mehrheit der Mandate verfehlt. Dann hätte Schweden - so wie im Land eher die Regel als die Ausnahme - wohl wieder eine Minoritätsregierung. Das wäre eine Traumsituation für die Schwedendemokraten. (Karin Bock-Häggmark aus Stockholm, DER STANDARD, 5.9.2014)