Die Umfragen verheißen nichts Gutes für den in Spanien regierenden konservativen Partido Popular (PP). Bei den Kommunalwahlen im Frühjahr 2015 könnte die Partei von Ministerpräsident Mariano Rajoy - die seit 2011 knapp die Hälfte der Bürgermeisterämter hält - einen Großteil ihrer Kommunalmacht verlieren. Damit dies nicht passiert, will Spaniens Regierung jetzt das Wahlrecht ändern. Die Partei mit den meisten Stimmen soll automatisch das Bürgermeisteramt erhalten - auch ohne absolute Mehrheit.

Der PP reagiert damit nicht nur auf die Umfragen, sondern auch auf das Ergebnis der EU-Wahl im vergangenen Mai. Die beiden großen Parteien - PP und der sozialistische PSOE - erzielten zusammen erstmals weniger als 50 Prozent. Das jahrzehntelang dominante Zweiparteiensystem steckt in einer tiefen Krise.

Keine Stichwahl mehr

Die geplante Reform sieht keinen zweiten Durchgang vor, in dem sich die beiden stimmenstärksten Spitzenkandidaten gegenüberstehen. Der PP plant stattdessen einen Siegerbonus, der der stärksten Liste die absolute Mandatsmehrheit im Gemeinderat bescheren soll. Mit der Wahlrechtsreform sollen Koalitionen auf kommunaler Ebene unmöglich gemacht werden. Diese würden nur "dunkle, in Büros ausgehandelte Interessen" vertreten und nicht den Willen der Bürger widerspiegeln, heißt es aus der PP-Zentrale.

Der PP will nun "mit allen politischen Kräften" verhandeln. Im November soll das neue Wahlgesetz als Teil eines "Paketes zur Regeneration der Demokratie" - das die Parteienfinanzierung neu regeln und die Transparenz der Politik verbessern soll - ins Parlament gehen.

"Fünf Minuten vor Ende des Spiels"

Die Opposition redet von Betrug. "Sie wollen fünf Minuten vor Ende des Spiels die Regeln ändern", schimpft der Generalsekretär der sozialistischen PSOE, Pedro Sánchez. Die postkommunistische Vereinigte Linke (IU) oder die neue Podemos reden gar von einem geplanten "Staatsstreich". Alle drei Formationen weigern sich, über eine Reform in Verhandlungen einzutreten. Der PP braucht ohnehin keine Einigung mit der Opposition, denn die Konservativen verfügen über die absolute Mehrheit im Parlament und können die Wahlrechtsreform somit alleine verabschieden.

Nur die in Katalonien regierende nationalistische CiU hat sich bereit erklärt, an einer Wahlrechtsreform mitzuarbeiten. Die katalanische Presse rechnet vor, warum: Eine mögliche gemeinsame Liste der CiU mit der radikaleren, ebenfalls nationalistischen Republikanischen Linken (ERC) würde selbst bei schlechtesten Umfragewerten rund 80 Prozent aller Gemeinden im rebellischen Nordosten Spaniens regieren.

In mehreren Städten Spaniens entstehen derzeit breite Bündnisse aus linken Parteien und Bürgerinitiativen, die unter dem Namen "Wir gewinnen" zu den Kommunalwahlen antreten wollen. Das Vorbild ist Barcelona, wo die ehemalige Sprecherin der Initiative gegen Wohnungszwangsräumungen, Ada Colau, für das Bürgermeisteramt kandidieren will. (Reiner Wandler aus Madrid, DER STANDARD, 4.9.2014)