Nicht nur Gemälde und Plastiken, auch Eisbärfelle werden in "Das große Museum" von Spezialisten behandelt.

Foto: Stadtkino

Wien - Zuerst hört man nur ein mechanisches Knarzen, das so gar nicht zu den im geräumigen Museumssaal ausgestellten Kutschen passen will. Es gehört zu einer Hebebühne, die langsam durch das Bild hindurch in die Höhe fährt. Ein Mann wird damit bis zur Decke gehoben, am Ziel angekommen, hebt er dann einen Teil des Plafonds hoch. "Falle 9 Nord", sagt er und löst damit das Bilderrätsel auf: "Sechs Kleidermotten."

Zur Wartung und Pflege der Objekte des Kunsthistorischen Museums in Wien gehört eben nicht nur die konkrete Arbeit an den Exponaten, sondern auch die Jagd nach Ungeziefer. Für Johannes Holzhausens Dokumentarfilm Das große Museum ist die Szene deshalb recht bezeichnend, weil sie den umfassenden (und dabei dennoch lakonischen) Blick auf eine Institution der Hochkultur offenbart. Denn nicht die weltbekannten Kunstwerke stehen so sehr im Zentrum seines Interesses, als Fragen der Repräsentation. Besonders oft taucht darin die Frage auf, wie sich ein Museum zur Gegenwart verhält, das auf diversen Ebenen mit der Geschichte und der Identität des Landes verbunden ist.

Wie eng dieses Beziehungsgeflecht geknüpft ist, zeigt schon der Beginn des Films, der mit einem Kameraschwenk illustriert, dass der Radius über das Stammhaus am Maria-Theresien-Platz hinausgeht - hinüber zur Hofburg, wo ein Gemälde aus der Präsidentschaftskanzlei zur Restaurierung abgeholt wird. Ein Wandel des auf mehrere Gebäude ausgerichteten Komplexes bestimmt auch die Dramaturgie des Films. Die Erneuerung der Kunstkammer steht an; dramatisch wird mit Spitzhacke und Nageleisen anfangs das Parkett entfernt, am Ende von Das große Museum wird die feierliche Eröffnung im neuen Gewande stehen - mitsamt den tapfer gegen den Prunk anleuchtenden Waben von Olafur Eliasson.

Was die Zuschauer dazwischen miterleben können, das sind die Maßgaben, nach denen sich ein Museum in diesen Zeiten zu präsentieren glaubt. Längst gehorcht man auch in diesem Bereich den Gesetzen des Marktes. Holzhausen bleibt ein stiller, ausgewogener, aber durchaus spitzfindiger Beobachter. Wohl genau deshalb gelingt es ihm so gut, Bilder für diesen Übergang und Wandel zu finden, die sich dem Haus nicht andienen. Die pointierte Montage seines Cutters Dieter Pichler unterstreicht dies noch, nicht selten durchaus ironisch.

Großkunden und neue Labels

Während die Geschäftsführung vom "Großkunden Österreich" und von den "Verteilerkämpfen" im Kulturgeschäft spricht, auf die man dann mit einer entsprechenden Kampagne reagiert, tritt an anderer Stelle etwa ein langgedienter Abteilungschef seine Pension an. Letzterem haftet durchaus noch etwas Kakanisches an. Er füttert sogar die Raben am Fenster mit Käse.

Wo kein Imperium mehr steht, wird seine Geschichte im Museum zur Ware, die man neu verpacken, anders inszenieren muss. Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass man für das symbolische Habsburgererbe moderne Ausrichtungen sucht. Selbstrepräsentation wird zum Label: Das Attribut "kaiserlich" wird hinkünftig über einige Teilbereiche des Museums geschrieben - als Lockmittel für Touristen.

Geschichte bleibt aber auch Baustelle, eine Serie aus höchst konzentrierten Handgriffen, Restaurierungs- und Maßarbeiten. Die Instandhaltung, das zeigt Holzhausen sehr schön, ist auch ein Prozess der "Vergegenwärtigung". Ein neuer Blick aufs Objekt entsteht, und oft braucht es dann einen anderen Platz.

Solche Szenen bilden erst das Fundament des Films: Stille, schweißtreibende Momente, in denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses mit Gemälden und Kasperl, mit Saliera und Schiffsautomaten beschäftigt sind. Es war eines der Dogmen des Films, Kunst nur in Verbindung mit Arbeit ins Bild zu rücken.

Abgeschlossen ist der Prozess freilich nie: Das KHM wird sich weiter entwickeln wie das Land, von dessen Vergangenheit es erzählt. Brueghels Turmbau zu Babel weist am Ende auf den anderen Weg nach oben hin. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 4.9.2014)