Die Gegenwart ist digital. Welche Konsequenzen das für Wirtschaft, Wissenschaft und Zusammenleben hat, zeigt die Schau der MS Wissenschaft.

Fotos: Ilja Hendel / Wissenschaft im Dialog

Wien - Auch der Waldrapp ist online. Und die Störche sowieso. Das deutsche Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell am Bodensee hat gemeinsam mit Partnern eine App entwickelt, mit der am Smartphone die Reisen der Tiere verfolgt werden können. Zumindest jener, die mit einem GPS-Sender ausgestattet sind und in der Online-Plattform Movebank, einer globalen Datenbank für Tierbewegungen, erfasst sind.

Hobby-Ornithologen können sich mit dem Animal Tracker, so der Name der App, auf die Pirsch begeben und ihre Beobachtungen und Fotos gleich hochladen, um den Verhaltensbiologen bei ihren Forschungen zu helfen. Und man kann nachsehen, wo in Afrika jener Weißstorch weilt, den man noch vom Sommer kennt.

Das Max-Planck-Institut für Ornithologie hat auch eines der Exponate gestaltet, die im Bauch des Ausstellungsschiffes MS Wissenschaft zu sehen sind, das nun auch bald wieder in österreichischen Donauhäfen anlegt. Genauer gesagt: in Linz, Krems und Wien.

Seit 2002 verkehrt das Forschungsvermittlungsschiff jedes Jahr auf deutschen Flüssen und Kanälen. Mit Unterstützung des Wissenschaftsfonds FWF legt es seit 2010 auch an österreichischen Donauhäfen an. Die diesjährige Ausstellung trägt den Titel Digital unterwegs. Sie will veranschaulichen, wie die globale Vernetzung die Welt verändert. Welche Auswirkungen sie auf Wissenschaft, Wirtschaft und das soziale Zusammenleben hat.

"Ziel der Ausstellung ist darzustellen, wie wichtig die Forschung in diesem Bereich ist", sagt Beate Langholf, Projektleiterin der MS Wissenschaft von der deutschen Initiative Wissenschaft im Dialog (WiD). Naturgemäß sind viele Schülergruppen auf dem Schiff anzutreffen. Die Ausstellung solle aber Leute verschiedener Altersgruppen ansprechen, nicht nur solche, "die mit dem Smartphone aufgewachsen sind".

Im Fall der Ausstellungsstation der Verhaltensbiologen des Max-Planck-Instituts kann man also vor Ort nachprüfen, dass der Weißstorch Yolo in den vergangenen zwei Wochen den Weg von einem Ort südlich von Madrid über Córdoba, Tanger und Marrakesch bis an die algerische Grenze zurückgelegt hat. Und man kann in der Ausstellung vor Ort die Peilsender studieren, die verschiedene Tiere, auch Schmetterlinge und Ziegen, umgehängt bekommen. Schmetterlinge, weil auch manche von ihnen tausende Kilometer zu reisen pflegen. Ziegen wie jene an den Hängen des Ätna, weil sie durch ein unruhiger werdendes Verhalten bevorstehende Ausbrüche des Vulkans vorhersagen können, wie die Forscher des Max-Planck-Instituts herausgefunden haben. Sie arbeiten an einem "biologischen" Frühwarnsystem auf "Ziegenbasis".

Netzinfo im Vertrauenstest

So wie die Wildtier-Telemetrie die Forschungsarbeit der Verhaltensbiologen verändert, verändern sich viele Bereiche des Lebens, will die Ausstellung vermitteln. Über das Wie und Warum Bescheid zu wissen, hilft, mit den Veränderungen richtig umzugehen: An einer Station kann man etwa einen Test über das Vertrauen, das man in Sportler, Politiker und Institutionen setzt, absolvieren. Die Menschen, so die These dahinter, verlieren es durch die Informationslawinen der digitalen Welt, die Unsicherheit wächst.

Es können aber auch die Grenzen unseres Wissens erweitert werden. An einer der interaktiven Stationen erfährt man etwa, dass das Erfordernis eines effizienten Datenmanagements am Forschungszentrum Cern mit seinem weltgrößten Teilchenbeschleuniger nicht nur das Internet - als Nebenprodukt - hervorgebracht hat. Auch die Auswertung der am Teilchenbeschleuniger LHC gewonnenen Daten im Worldwide LHC Computing Grid (WLCG) funktioniert nur nach diesen Richtlinien.

Österreich ist heuer - anders als im vergangenen Jahr - bei der Ausstellung auf der MS Wissenschaft mit keinem Exponat vertreten. Vorträge und Diskussionen an Bord des Schiffes finden aber auch auf der österreichischen Etappe statt. In Linz findet etwa nach Berlin der zweite Teil eines Science-Slams statt. Dabei treten zwei deutsche und zwei österreichische Slammer gegeneinander an, um ihr jeweiliges wissenschaftliches Feld - die Themen reichen vom Prothesenbau bis zur Suchtforschung - innerhalb von acht Minuten möglichst kurzweilig dem Publikum zu präsentieren.

Apropos: An einer der Stationen können auch die Ausstellungsbesucher der Forschung helfen. Indem sie einen Fragebogen über eine mögliche Internetsucht ausfüllen. (Alois Pumhösel, DER STANDARD, 3.9.2014)