Bild nicht mehr verfügbar.

Ein Mann wäscht seine Hände in der nigerianischen Hauptstadt Abuja.

Foto: REUTERS/Afolabi Sotunde

Bettina Radeiski sieht Ähnlichkeit in der Berichterstattung über die Vogelgrippe und Ebola.

Foto: ZVG

Mehr als 3.000 Menschen haben sich in Westafrika mit dem gefährlichen Ebola-Virus infiziert. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass es insgesamt 20.000 Personen werden könnten. In Europa selbst gibt es bis dato noch keinen bestätigten Fall, Verdachtsfälle schaffen es aber immer wieder auf die Titelseiten der Medien - oft stellt sich heraus, dass es sich schließlich um Malaria handelt.

Die deutsche Medienwissenschafterin Bettina Radeiski beschäftigte sich in ihrer Dissertation mit dem Thema "Vogelgrippe in den Medien" und zieht im Interview Vergleiche in der Berichterstattung über diese beiden Seuchen.

derStandard.at: Kann man bei der Berichterstattung über Epidemien von einem Muster beim Verlauf sprechen?

Radeiski: Ja, auf alle Fälle. Es gibt immer angsterzeugende und beruhigende Berichterstattung zur gleichen Zeit. Auch in der Rhetorik oder bei Metaphern lassen sich Gemeinsamkeiten erkennen, die denen bei Kriegsberichterstattung gleichen. Wenn ich über Ebola lese, dann fühle ich mich an den Vogelgrippediskurs erinnert, weil die Medien dasselbe Vokabular, dieselbe Perspektive einnehmen und auch die gleichen Fragen aufwerfen.

derStandard.at: Könnten Sie das an Beispielen festmachen?

Radeiski: In der Bild-Zeitung aber auch in weniger reißerischen Medien wird oft von "Abwehrkampf", einem "unsichtbaren Feind" gesprochen oder dass etwas auf unseren Kontinent "herüberschwappt" und "uns in Gefahr bringt". Das häufig gezeichnete Bild, dass es einen Feind gibt, der von außen kommt und uns bedroht, gegen den man sich wappnen müsste, hat immer etwas Militantes.

derStandard.at: Verhält sich auch die Intensität der Berichterstattung bei verschiedenen Seuchen ähnlich?

Radeiski: Das hängt vom Verlauf der Seuche ab. Bei der Vogelgrippe gab es eine viel größere Aufmerksamkeit, als die Krankheit durch die Vögel auch in Deutschland und Österreich angekommen war. Dann wird die Seuche zum Prüfstein für die Politik und auch die Medien selbst. Ebola ist nicht in Deutschland angekommen. So liegt der Fokus in der Berichterstattung erst einmal auf der dunklen Seite Afrikas. Je mehr sich so eine Seuche ausbreitet und je mehr Betroffene auch aus der westlichen Welt kommen, desto präsenter ist sie hier in den Medien. Irgendwann flacht das Interesse wie bei anderen Themen wieder ab. Das muss nicht mit der natürlichen Entwicklung der Krankheit zusammenhängen.

derStandard.at: Kann eine verfrühte Berichterstattung über Ebola-Verdachtsfälle zu viel Panikmache bedeuten? Sollte man zuvor die Testergebnisse der Patienten abwarten, ob es sich tatsächlich um Ebola handelt?

Radeiski: In meiner Arbeit weise ich nach, dass es keinen Automatismus zur Panikmache gibt. Umfragen, auch bei Ebola, ergeben immer ein 50:50 Verhältnis. Die einen sagen, dass sie die Berichterstattung beunruhigt. Sie informieren sich und sind vorsichtig. Die anderen reflektieren die Rolle der Medien: Das könnte Panikmache sein, das kann übertrieben, vorgreifend sein. Es kann auch sein, dass sich durch immer mehr Verdachtsfälle, die sich dann als falsch herausstellen, bei den Lesern ein Gewohnheitseffekt eintritt.

Auch wenn dabei sehr unschöne Bilder von Kranken, Armen oder dem Gesundheitssystem transportiert werden, geben sie den heimischen Lesern doch etwas Beruhigendes. Die Bilder vermitteln die Botschaft, dass wir in Österreich oder Deutschland in "sicheren" Verhältnissen leben.

derStandard.at: Wie unterscheidet sich die Berichterstattung über Seuchen von Medien in betroffenen Ländern und internationalen Medien?

Radeiski: Ich habe keinen Einblick, wie im Moment in Afrika darüber berichtet wird. Ich habe bei den Recherchen zur Vogelgrippeberichterstattung sowohl lokale als auch internationale Medien miteinbezogen. Dabei fiel auf, dass sich international die Frage gleicht, was überhaupt am Seuchengeschehen interessant ist. Es wurde zum Beispiel überall die Frage gestellt, wie sehr man als Nation betroffen ist oder betroffen sein wird.

Es werden Szenarien vorgeführt, wie sich die Krankheit im schlimmsten Fall entwickeln könnte. Berichtet wurde auch überall über die Maßnahmen, die ergriffen wurden, damit dieser schlimmste Fall nicht eintritt. Außerdem wird in den Artikeln die Erde in verschiedene Teilwelten aufgeteilt: Von uns aus betrachtet, gib es derzeit Afrika dort und Europa hier. Im Fall der Vogelgrippe wurde Asien Europa gegenübergestellt. Diese Aufteilung vermittelt: Was in Afrika und Asien passiert, kann uns in Europa nicht passieren. Und das ganz ungeachtet der Tatsache, dass die Natur überhaupt keine politischen Grenzen kennt.

derStandard.at: Ändert sich die Berichterstattung, wenn ein Land selbst betroffen ist?

Radeiski: Ja, wenn die Seuche das eigene Land erreicht, finden sich viel mehr Artikel, die Rat geben. Es wird viel mehr abgewogen und der Blick richtet sich vielmehr auf die Regierenden und ob sie ihre Sache gut machen. Diese Frage sind am Anfang nicht präsent, weil man noch denkt, dass es einen schon nicht so schlimm treffen werde. Man ist überzeugt, dass es einen Grund geben muss, dass sich die Seuche nur bei anderen verbreitet und nicht bei uns: Das dunkle Afrika wird mit der heimischen Idylle kontrastiert. (Bianca Blei, derStandard.at, 8.9.2014)