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Der flüchtige Banker soll die persönlichen Bankkonten von Diktator Kim Jong-un betreut haben.

APA/EPA/Rodong Sinmun

Wenn Nordkoreaner über die Landesgrenze flüchten, besitzen sie kaum mehr als das, was sie am Körper tragen. Doch als sich vergangene Woche ein hochrangiger Bankmanager von der ostrussischen Hafenstadt Nakhodka absetzte, führte er nicht nur fünf Mio. Dollar (3,8 Mio. Euro) bei sich, sondern auch unbezahlbares Insiderwissen über eines der abgeschottetsten Regime der Welt.

Laut der südkoreanischen Tageszeitung "Chosun Ilbo" handelt es sich bei dem Flüchtling um Yun Tae-hyong, der in leitender Funktion bei der nordkoreanischen Daesong Bank gearbeitet und unter anderem die persönlichen Bankkonten von Diktator Kim Jong-un betreut haben soll. Bei einer Geldlieferung nach Russland habe sich Yun nach Angaben einer nicht näher genannten Quelle mit Dollarnoten aus dem sogenannten "Revolutionsfonds" abgesetzt, der Schwarzgeldkassa Kim Jong-uns, die vorrangig für Schmiergeldzahlungen verwendet wird. Von dort aus plane der hochrangige Beamte, in einem Drittland Asyl zu beantragen, möglicherweise Südkorea. Laut Angaben der Nachrichtenagentur Reuters habe das Wiedervereinigungsministerium Südkoreas, das Flüchtlingsangelegenheiten betreut, jedoch keine genaueren Kenntnisse von Yuns Fall.

Wiener Filiale

Die nordkoreanische Daesong Bank wurde 1978 gegründet, um ausländische Devisengeschäfte abzuwickeln. Auch für das österreichische Innenministerium dürfte sie noch bestens bekannt sein: Unter dem Namen "Golden Star Bank" eröffnete sie 1982 in Wien ihre erste Auslandsfiliale. Über 20 Jahre lang befand sich mitten im siebten Gemeindebezirk die einzige nordkoreanische Bank auf europäischen Boden. Laut einem Bericht des Innenministeriums von 2003 soll der nordkoreanische Geheimdienst die Golden Star Bank vor allem genutzt haben, um eigene Agenten nach Österreich einzuschleusen. Ebenso soll das Regime über die Bankfiliale Geldwäsche betrieben, Schwarzgeld in Umlauf gebracht und illegale Waffengeschäfte finanziert haben, bevor sie im Juni 2004 geschlossen wurde.

Moskau soll helfen

Bisher sind nur wenig gesicherte Fakten über den Verbleib des abtrünnigen Bankmanagers an die Öffentlichkeit gesickert: Laut Chosun Ilbo soll Nordkorea russische Behörden gebeten haben, Yun Tae-hyong zu verhaften und in seine Heimat auszuliefern.

Vieles deutet darauf hin, dass es sich bei seiner Flucht um eine Nachwirkung der brutalen Exekution von Jang Seong-taek handelt. Der damalige stellvertretende Vorsitzende der Nationalen Verteidigungskommission wurde nach internen Machtkämpfen im Dezember 2013 auf Anweisung von Kim Jong-un, seinem eigenen Neffen, hingerichtet. Seit damals flüchteten bereits mehrere hochrangige Beamte aus Jangs innerem Zirkel. Diesem soll auch Yun Tae-hyong angehört haben. (Fabian Kretschmer aus Seoul, DER STANDARD, 2.9.2014)