Greta Gerwig und Al Pacino in der Philip-Roth-Verfilmung "The Humbling".

Foto: christie mullen

Nicht wenige Spielfilme im heurigen Programm der Filmfestspiele von Venedig nehmen Bezug aufs Schaugeschäft. Ein geborener Clown entführt den Sarg von Charlie Chaplin. Ein Superheldendarsteller aus Hollywood landet am Broadway. Ein gefeierter Shakespeare-Darsteller will nicht mehr spielen. Dieser Mann, Simon Axler, ist eigentlich eine Romanfigur.

Barry Levinson hat Philip Roths 2009 erschienenes Buch The Humbling (auf Deusch: Die Demütigung) fürs Kino adaptiert. Al Pacino verkörpert Axler, der sich aus dem Leben zurückzieht, bis eines Tages die junge Pegeen (Greta Gerwig) vor seiner Türe steht.

Kleine Missverständnisse und Fehlleistungen deuten bald darauf hin, dass Axler sein Gedächtnis verliert. Seine Potenz schwindet, zusätzlich hat er es im Kreuz.

Das führt nicht nur in Bezug auf seine junge Freundin zu komischen Szenen. Aber während die wandelbare Greta Gerwig in dieser vergleichsweise kleinen Rolle eine weitere Facette ihres Könnens zeigt, hat sich Method-Actor Al Pacino beim Schauspieler Pacino Inspiration geholt und liefert eine manierierte Soloperformance.

Er tut dies noch in einem weiteren Film: David Gordon Greens Wettbewerbsbeitrag Manglehorn ist die größere Enttäuschung, weil der Regisseur immer wieder gezeigt hat, was er mit Darstellern Überraschendes anstellen kann, wenn er sie in ein spezifisches Milieu verpflanzt.

Nun spielt Pacino den eigenbrötlerischen Titelhelden, einen Schlosser in der texanischen Provinz, der noch einmal aus seinen Routinen ausbricht. Allerdings legt er diesen Grantler genau so an, wie man es von ihm schon kennt (zum Beispiel aus The Humbling), und die Erzählung bleibt eindimensional und konventionell.

Enttäuschender Fatih Akin

Enttäuschend ist auch der neue Film von Fatih Akin, der am Sonntag im Wettbewerb den Wechsel hin zu ernsteren Themen einläutete. The Cut erzählt vor dem Hintergrund des Genozids an den Armeniern zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein Familiendrama.

Als 1915 türkische Gendarmen eines Nachts in der Stadt Mardin alle armenischen Männer abholen, beginnt die Odyssee des Handwerkers Nazaret Manoogian (Tahar Rahim), die erst acht Jahre später in den USA endet.

Akin, dessen letzter Spielfilm Soul Kitchen 2009 entstand, hat sich erstmals an einen historischen Stoff gewagt. Das Ergebnis ist hölzern: Der Film startet mit Alltagsszenen, die in ihrer Reduktion aufs erzähltechnisch Funktionale (schnell, schnell eine Situation etablieren) eben oberflächlich bleiben. Diesen Zugang behält der Film leider bei.

Schemenhaft und beliebig

Ob es um die Schilderung von Torturen, Morden, Sterben geht oder die Schilderung der langen Reise, die Nazaret antritt, nachdem er erfährt, dass seine Zwillingstöchter noch leben - The Cut bleibt schematisch und deshalb beliebig.

Am Wochenende feierte außerdem die zweite österreichische Produktion Premiere. Ich seh Ich seh ist das Spielfilmdebüt von Veronika Franz und Severin Fiala. Ein Paar Zwillingsbuben (Lukas und Elias Schwarz) und deren Mutter (Susanne Wuest) liefern sich darin einen immer unerbittlicheren Machtkampf.

Dieser entzündet sich daran, dass die Kinder die Frau, die mit einbandagiertem Kopf und Gesicht aus dem Spital zurückgekehrt ist, bald verdächtigen, nicht ihre Mutter zu sein.

Ich seh Ich seh, der heißt wie ein altes Kinderspiel, ist als Genrefilm darauf angelegt, dass man nie sicher sein kann, was man eigentlich sieht. Er beginnt als Psychothriller und Mindgame-Movie. Er variiert das Doppelgängermotiv gleich doppelt und arbeitet weitere Horrormotive durch.

Stilmittel wechseln von sanfter Beunruhigung und klassischem Suspense bis zum unmittelbar blutigen Schrecken. Ein in jeder Hinsicht sorgfältig dosierter, aber auch ein kühler Film, der im Saal Applaus erntete. (Isabella Reicher, DER STANDARD, 1.9.2014)