Johannes Kopf hat an dieser Stelle ("Mehr Geld für Junge, mehr Arbeit für Alte") einen viel beachteten Vorstoß zur Verbesserung der Beschäftigungschancen Älterer gemacht. Er möchte die Lohnkosten der Unternehmen für junge Arbeitskräfte erhöhen und jene für Ältere entsprechend senken, um die Lebenseinkommenskurve abzuflachen. Über geringeren Lohnaufwand der Arbeitgeber für Ältere soll deren Beschäftigung begünstigt werden.

Der Vorschlag sieht vor, dass die jüngste Altersgruppe die Beiträge zur Pensionsversicherung (PV) vollständig vom Arbeitgeber bezahlt bekommt und damit 10,25 Prozent vom Bruttolohn verbleiben. Für den Arbeitgeber bedeutet das 10,25 Prozent höhere Lohnkosten. Umgekehrt würden der obersten Altersgruppe 10,25 Prozent mehr PV-Beiträge vom Bruttolohn abgezogen, dafür sinken die Lohnkosten für den Arbeitgeber entsprechend. In den Altersgruppen dazwischen würde eingeschliffen. Zwischen 40 und 45 Jahren würde die Beitragsgestaltung so aussehen wie derzeit, alle darunter würden für den Moment profitieren, alle darüber draufzahlen.

Die Relevanz dieses Vorschlags steht angesichts des Zieles steigender Erwerbsbeteiligung Älterer, deren überproportional steigender Altersarbeitslosigkeit und der absehbaren demografischen Verschiebungen außer Frage. Zudem setzt er auf ein in Österreich bislang kaum genutztes Steuerungsinstrument, nämlich auf monetäre Anreize für Arbeitgeber, stärker auf ältere Arbeitskräfte zu setzen. Im Gegensatz zu Anreizen für Arbeitskräfte, die etwa bei vorzeitiger Alterspension Abschläge erhalten, fehlen solche Anreizsysteme für Unternehmen bislang weitgehend.

Im Detail wirft der Vorschlag jedoch einige Probleme auf:

  • Als empirische Evidenz für den Vorschlag wird vor allem der Mehrverdienst älterer vollzeitbeschäftigter Angestellter ins Treffen geführt. Dieses Verhältnis verweist zwar auf die Existenz steiler Lebenseinkommensverläufe, zeigt aber weder die Heterogenität der Verdienstkurven für unterschiedliche Gruppen am Arbeitsmarkt noch das Verhältnis zu ihrer tatsächlichen Produktivität. Auch wenn noch Forschungsbedarf besteht, so ist doch bekannt, dass bei gering Qualifizierten, Arbeitern und Frauen, Lohnzuwächse mit dem Alter nicht bzw. in wesentlich geringerem Ausmaß zu beobachten sind. Eine Abflachung der Lebenseinkommensprofile könnte für bestimmte Gruppen durchaus zu sinkenden Einkommensverläufen führen. Treffen würde das auch Arbeitslose und wohl generell Arbeitskräfte mit weniger kontinuierlichen Beschäftigungsverläufen.
    Zudem haben einzelne Branchen bereits eine Abflachung der Einkommensverläufe in Kollektivverträgen umgesetzt. Warum sollte für diese Gruppen die Kurve gleichermaßen abgeflacht (bis hin zu negativ geneigt) werden?

  • Senioritätsentlohnung kann Betrieben als Mittel dienen, langjährige Mitarbeiter bis zum Ende ihrer Berufslaufbahn zu einem hohen Arbeitseinsatz zu motivieren. Gleichzeitig ist die Politik um eine Anhebung des Pensionsantrittsalters bemüht. Durch die vorgeschlagene Umschichtung der PV-Beiträge hätten die Älteren in den Jahren vor einem möglichen Pensionsantritt geringere Einkommen zu erwarten. Ihr Anreiz, in Beschäftigung zu verbleiben (bzw. zurückzukehren), sinkt also.

  • Umgekehrt würden besonders Jugendliche für Unternehmen teurer, die neben Älteren jene Altersgruppe mit der höchsten Arbeitslosigkeit sind (die Arbeitslosigkeit unter 25-Jähriger liegt deutlich über jener der Altersgruppe 55+). Klar ist zwar: Wenn gezielt Ältere billiger werden sollen, so müssen andere Gruppen vergleichsweise teurer werden. Aber vielleicht wäre es klug, nicht gerade die sensible Gruppe der Jugendlichen am stärksten zu belasten. Der Einwand, bei Jugendlichen wäre das Ausbildungsproblem gegenüber Kostenerwägungen dominant, mag zwar stimmen, Ähnliches könnte aber auch bei Älteren ins Treffen geführt werden, die einen deutlich höheren Anteil gering Qualifizierter aufweisen. Zusätzlich stellen gesundheitliche Probleme ein mit dem Alter zunehmendes Beschäftigungshindernis dar, das durch eine generelle Lohnsenkung kaum zu überwinden ist.

  • Insgesamt ist auch die wissenschaftliche Evidenz zur Wirkung von Senioritätsentlohnung auf den Verbleib in Beschäftigung nicht eindeutig. Zudem wäre mit dem vorgeschlagenen Modell eine Einführungsphase verbunden, die entweder sehr lange dauert oder in der Lebenseinkommensperspektive all jene benachteiligt, die nicht mehr in den vollen Genuss der Lohnerhöhung zu Beginn der Erwerbsphase kommen - am meisten jene im mittleren Erwerbsalter. Zusätzlich müssten Steuerungselemente vorhanden sein, die das Beitragsaufkommen und gleichbleibende Verteilung der Beitragslast zwischen Arbeitnehmern und Unternehmen sichern.

Trotzdem diskutieren

Diskussionswürdig ist der Vorstoß Kopfs allemal, denn das Problem steigender Arbeitslosigkeit Älterer dürfte uns auch in Zukunft begleiten. Vielleicht trägt die Diskussion dazu bei, dessen positive Aspekte in ähnliche Modelle aufzunehmen, die gezielte Anreize auf Arbeitgeberseite setzen, um die Beschäftigung Älterer zu begünstigen. Diese könnten ebenfalls die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge der Unternehmen als Anreizmechanismus nutzen: Arbeitgeber, die mehr zur Erreichung der arbeitsmarktpolitischen Ziele beitragen - und damit dem Staat Kosten ersparen -, sollten (aufkommensneutral gestaltet) auch geringere Beiträge zahlen. Ohne gleichzeitigen Eingriff in die Beitragsgestaltung der Arbeitnehmer könnten so die zuvor geschilderten Probleme verringert werden. Grobe Ideen dazu gibt es auch im Regierungsprogramm (Bonus-Malus-System), und verhandelt wird auch schon seit geraumer Zeit. Die Abflachung steiler Einkommensprofile verbliebe weiterhin den Kollektivvertragspartnern zur Lösung. (Helmut Mahringer, DER STANDARD, 1.9.2014)