Mit der Nominierung des rechtsliberalen Polen Donald Tusk und der linken Italienerin Federica Mogherini sind die Staats- und Regierungschefs ihrer im EU-Vertrag verankerten Pflicht nachgekommen. Demnach müssen sie bei der Auswahl des EU-Spitzenpersonals mehrere Gesichtspunkte beachten: Das Ergebnis der Europawahlen, die Stärke der Parteien, soll einfließen. Geografische und integrationspolitische Aspekte sind zu berücksichtigen, ein Ausgleich zwischen Ost und West, Nord und Süd, aber auch großen und kleinen Mitgliedstaaten. Und es sollte Geschlechtergerechtigkeit geben.

Und so sieht das Ergebnis auch aus: Alles unter einen Hut zu bekommen ist kaum möglich. Nach langem Geschacher sind am Ende im Kompromiss alle in etwa gleich unzufrieden. Die außenpolitisch unerfahrene Mogherini kam nur zum Zug, weil die Sozialdemokraten auf diesem Posten bestanden, nachdem der Luxemburger Jean-Claude Juncker als Wahlsieger das wichtigste Amt des Kommissionschefs bekam. Langjährige Profis wie der Pole Radoslaw Sikorski oder der Schwede Carl Bildt sind Konservative. Starke SP-Minister wie Laurent Fabius oder Frank-Walter Steinmeier standen nicht zur Verfügung.

Frau, Italienerin, Süden: Damit war der Weg frei für einen Osteuropäer. Und so wurde der erfahrene Premier Tusk EU-Präsident, obwohl er manchen zu sehr „Falke“ im Verhältnis zu Moskau ist. Aber keiner kann alles haben. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 1.9.2014)