Spitzenmeldung von der Gutmenschenfront: Weltweit gibt es immer mehr Wohltäter, die die Alt-Wiener Bazi-Frage "Bist ogschitt, Oida?" (gegendert: "Bist ogschitt, Oide?") mit Ja beantworten können. Für Unkundige des hiesigen Idioms: "Bist ogschitt?" entspricht hochdeutsch "Bis du angeschüttet?" ("Bist du wucki? Gaga? Damisch?").

Mit Ja können sie deshalb antworten, weil sie mutig die Ice Bucket Challenge angenommen haben und so auf die grausame Nervenkrankheit ALS aufmerksam machen - und natürlich auch auf sich selbst. Mein Liebling unter den philanthropisch begossenen Pudeln ist übrigens der deutsche Komiker Otto, der auf einem Youtube-Video in einer übergroßen grünen Badehose seine zierlichen Altmännerzitzen in die Kamera hält und den eisigen Guss mit ostfriesischer Direktheit kommentiert ("Das ist ja arschkalt, leck mich am Arsch!").

Der Erfolg der "Challenge" beruht nicht zuletzt auf der geschickten Auswahl des Schüttobjekts, also auf dem Kübel und nicht etwa dem Dixi-Klo, aus welchem man nur ungern begossen würde. Der gefüllte Kübel hingegen ist ein kulturhistorisch gut eingeführtes Sujet mit hohem Wiedererkennungswert, den sich der Gutmensch mit entsprechendem Wohlwollen drüberkippen lässt.

Bereits die Brüder Grimm (Frau Holle) berichten von Pech- und Goldkübeln, die sich, je nach Leistung, über Faule bzw. Fleißige ergossen. Dass es sich bei dieser Art von gerechten Ergüssen um etwas Märchenhaft-Vergangenes, lange nicht mehr Existentes handeln muss ("Es war einmal ..."), wird ersichtlich, wenn man an jene Minderleister des vergangenen Politjahrzehnts zurückdenkt, die nicht einmal selber wussten, für welche vorgetäuschten Leistungen sie mit kübelweise Steuergeld überschüttet wurden. Dagegen ist der Moneymaker ein Lercherl!

Aber zurück zur Kübelhistorie. Bob Dylan erzählt von Kübeln mit Regenwasser und Tränen (Buckets of Rain), und bei Steven King bzw. Brian de Palma (Carrie) spielt ein blattlvoller Blutkübel eine wichtige Rolle. Wer sich bekübeln lässt, weiß sich also in eine lange Traditionsreihe der Begossenen und Angeschütteten eingebettet.

Vielleicht wäre es aber an der Zeit, die Bucket Challenge durch etwas Neues zu ersetzen, eine Backpfeifenherausforderung etwa. Kandidaten, die der Nominierung würdig wären, ließen sich sicher problemlos finden. (Christoph Winder, Album, DER STANDARD, 30./31.8.2014)